Zur Entwicklung der Auffassung von der Sprachnorm und der Kodifizierung in der sowjetischen und russischen Sprachwissenschaft
Towards the Development of the Concepts Norm and Codification in the Sowjet und Russian Linguistics
by Olga Liebich
Date of Examination:2006-06-28
Date of issue:2007-09-03
Advisor:Prof. Dr. Werner Lehfeldt
Referee:Prof. Dr. Werner Lehfeldt
Referee:PD Dr. Hermann Fegert
Referee:Prof. Dr. Dieter Cherubim
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Format:PDF
Description:Dissertation
Abstract
English
This dissertation investigates the development of the concept of norm and its influence on linguistic codification practice in Russia since the October revolution. First of all, the notions of norm and codification as well as various types of norms are discussed, with a focus on the relation between the external norm as codified by linguists and the internal norm as reflected in actual usage. Secondly, changes in the concept of norm as represented in Russian linguistics since the 1920s are analysed. It was possible to work out, for each period of time, the prevailing normative criterion, the three most important criteria being the correspondence to the classical literature, to the language system and to actual usage, respectively. Finally, the thesis deals with the presentation of problematic cases in a number of normative dictionaries. The dictionary data are compared with actual usage data in order to assess the degree to which the dictionaries in question reflect current usage by educated speakers. The data on usage frequencies were taken from previous surveys. The general conclusions are as follows:* Russian linguists and compilers of dictionaries do not always distinguish between the external and the internal norm.* Neither linguistically motivated principles nor facts of current usage are taken into consideration to a sufficient extent by lexicographers.* The codification practice reflects only general tendencies of real usage. Different areas of linguistic variation are not treated on an equal footing and even within one specific area recognition and rejection of variants more often than not takes place not in a principled manner, but on a per-case basis.* The dictionaries investigated lack a uniform and accurately defined scale of normative/stylistic labels. A precise normative account of language phenomena is not possible without such a scale, however.* Contrary to what is often suggested, the reliability of a dictionary is not enhanced by codifying only the most frequently used variants, but by considering all common variants.* Large-scale surveys of current language usage are necessary for a realistic and objective codification practice.
Keywords: Norm; codification; changes in language norms; standard language; razgovornaja reč; prostorečie; variation; accent
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Das Ziel dieser Dissertation ist es, die Entwicklung der Sprachnormauffassung und ihre Auswirkung auf die Kodifizierung in Russland seit den 1920er Jahren zu untersuchen. Als erstes wurden die in der Literatur uneindeutig gebrauchten Begriffe Sprachnorm und Kodifizierung , verschiedene Normentypen und das Verhältnis zwischen internen und externen Normen beschrieben. Als zweites wurden Sprachnormauffassungen in der Sowjetunion und Russland nach der Wende analysiert, wobei es möglich war die für die jeweilige Phase leitenden Grundsätze herauszuarbeiten, angefangen mit der Betrachtung der Sprachnorm als literatursprachliches Ideal über einen systemischen bis zu einem funktional-pragmatischen Ansatz. Abschließend beschäftigt sich die Arbeit mit der Behandlung mehrerer normativ problematischer Bereiche durch ausgewählte normative Wörterbücher. Diese wurde mit den durch Felduntersuchungen und Aussagen in der Fachliteratur belegten Gebrauchstendenzen verglichen. Eines der Ziele bildete die Bestimmung des zuverlässigsten unter den untersuchten Wörterbüchern. Die allgemeinen Untersuchungsergebnisse sind folgende:* In den Ansichten russischer Sprachwissenschaftler und Kodifizierer liegt oft eine Vermischung der Begriffe interne und externe Norm vor.* Weder die von der Sprachwissenschaft begründeten Prinzipien noch der reale Usus von der lexikographischen Praxis werden hinreichend berücksichtigt. Die Kodifikation spiegelt den Usus nur tendenziell wider. Unterschiedliche Bereiche der Variabilität werden nicht im gleichen Maße von den Wörterbuchautoren anerkannt, und es gibt auch innerhalb bestimmter Bereiche mehrere Formen, die unbegründet entweder bevorzugt oder vernachlässigt werden.* Es fehlt eine einheitliche differenzierte Skala von normativen Wörterbuchvermerken. Eine präzise normative Darstellung von Sprachentitäten ist ohne eine solche Skala nicht möglich.* Das zuverlässigste Wörterbuch ist in erster Linie nicht dasjenige, das die am häufigsten gebrauchten Formen kodifiziert, wie oft angenommen wird, sondern das jenige, das alle gängigen Formen aufnimmt.* Breit angelegte Untersuchungen der Gebrauchssphäre erweisen sich als eine notwendige Grundlage für eine objektive wirklichkeitsgetreue Kodifizierung.
Schlagwörter: Sprachnorm; Kodifizierung; Normwandel; Literatursprache; razgovornaja reč; prostorečie; Variabilität; Akzentuierung