Ars moriendi - Mittelalterliche Sterbekunst als Vorbild für eine neuzeitliche Sterbekultur
Ars moriendi - medieval art of dying as an example for a modern dying culture
von Stefanie Christiane Marr
Datum der mündl. Prüfung:2010-12-14
Erschienen:2010-11-26
Betreuer:Prof. Dr. Dr. Volker Zimmermann
Gutachter:Prof. Dr. Dr. Volker Zimmermann
Gutachter:Prof. Dr. Friedemann Nauck
Dateien
Name:marr.pdf
Size:5.69Mb
Format:PDF
Description:Dissertation
Zusammenfassung
Englisch
In this dissertation the author describes the medieval Ars-moriendi-literature and the view on dying, euthanasia and palliative care today. Therefore she uses original documents from the 15th century to point out the main characteristics of medieval art of dying. In the end she wants to make a suggestion to integrate the medieval principles into our modern palliative care to find a new dying culture that fulfils all requirements of a modern society. Already in ancient times, people had an idea for "Eu-Thanatos," the good death. In the Middle Ages, the so-called Ars Moriendi-culture describing the art of dying had their blossom. The Renaissance and the 19th Century took up the previous ideas and modified them in accordance with the prevailing opinion. At the beginning of the 20th Century the term euthanasia has been misused by the German National Socialists to kill or maim thousands of people mentally and physically in the name of an absurd racial ideology. Until today this term is no longer used in the German language. Some doctors and theologians are now demanding a re-discovery of the basic ideas of the medieval Ars-Moriendi-literature: dying in the presence of a well-meaning person and without mental or physical suffering. The hospice movement, founded by Dame Cicely Saunders aims to ensure this kind of dying for all people. Today everyone in Germany is entitled to this kind of attention at the end of his life. The hospice movement distances itself clearly from the practice of active euthanasia and assisted suicide. In Germany active euthanasia is prohibited by law and is discussed very controversial. In other countries such as Switzerland assisted suicide is a tool of choice to avoid or even prevent an agonizing death this. The assisted suicide is not penalized in Germany, but highly controversial in medical circles. Recently the autonomy of the patient has significantly been strengthened to allow every person to die the way he desires. Like Walter Jens many people demand more autonomy! at the end of their life, to arrange it according to their wishes. This raises the question whether integration of the old Ars-Moriendi-principles can help to create a new awareness of life and death. Certainly an increased integration of dying and death in the society would lead to a more conscious life, even though the medieval traditions need to be adapted to the present day. Charity, care, peace with himself and his environment and society are still generally valid wishes. Today the most important aspect of palliative care is relief of pain and other physical symptoms. Nevertheless it also includes care for the aforementioned spiritual and psychological aspects. This palliative care could therefore be the first pillar of a modern Ars moriendi. Other pillars would be the care for dying family members by their relatives, the strengthening of spiritual care and the creation of an appropriate legal and financial framework by government. This new art of dying would allow each person to die in dignity and to integrate the deaths in the daily ! life in order to alleviate the fear of death from the society. People need to be aware of their mortality to find a personal way to accept life and death as a part of human being.
Keywords: Ars moriendi; euthanasia; palliative care
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Diese Dissertation hat zum Ziel, Merkmale der mittelalterlichen Ars-moriendi-Kultur herauszustellen und zu überprüfen, ob sich diese Merkmale in eine neuzeitliche Ansicht von Tod und Sterben integrieren lassen würden. Hierzu wurde eine mittelalterliche Handschrift der Ars-moriendi-Tradition transkribiert und editiert und mit anderen Original-Quellen dieser Literaturgattung verglichen. Gleichzeitig erfolgte eine Analyse der aktuellen gesellschaftlichen Haltung zu menschenwürdigem Sterben und Sterbehilfe bzw. Palliativmedizin. Am Ende der Arbeit wird versucht, die mittelalterlichen Grundsätze in die aktuelle Palliativmedizin zu integrieren um den Vorschlag für eine allgemeingültige neue Sterbekultur zu formulieren, die sowohl den ethischen als auch den medizinischen und rechtlichen Ansprüchen einer modernen Gesellschaft genügt. Schon in der Antike hatten die Menschen eine Vorstellung zum Eu-Thanatos , dem guten Tod. Im Mittelalter hatte dann die sogenannte Ars-moriendi-Kultur in Form von Büchlein über die Kunst des Sterbens ihre Blütezeit. Die Renaissance und das 19. Jahrhundert griffen die vorangegangen Vorstellungen auf und veränderten sie gemäß der damals vorherrschenden Meinung. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff der Euthanasie von den Nationalsozialisten missbraucht, um im Namen einer Rassenideologie Tausende zu ermorden oder seelisch bzw. körperlich zu verstümmeln. Bis heute ist dieser Begriff im deutschen Sprachgebrauch tabuisiert. Einige Mediziner und Theologen fordern heute eine Wiederentdeckung der Grundgedanken der mittelalterlichen Ars-moriendi-Literatur: Sterben im Beisein eines wohlgesonnenen Menschen ohne seelische oder körperliche Leiden. Die Hospizbewegung bemüht sich, möglichst vielen Menschen genau dies zu ermöglichen. Mittlerweile hat! jeder Mensch in Deutschland ein Recht auf diese Art der Zuwendung am Lebensende. Dabei distanzieren sich Hospizmitarbeiter und Palliativdienste deutlich von der Praxis der aktiven Sterbehilfe und des assistieren Suizids. Die aktive Sterbehilfe, in Deutschland sehr umstritten und gesetzlich verboten, gilt in anderen Ländern wie zum Beispiel der Schweiz als Mittel der Wahl, um einem qualvollen Sterben zu entgehen oder diesem sogar vorzubeugen. Der assistierte Suizid ist in Deutschland straffrei, jedoch in Mediziner-Kreisen heftig umstritten. Hier wird seit Kurzem die Patientautonomie deutlich gestärkt, um jedem Menschen das Sterben zu ermöglichen, welches er für sich wünscht. Es stellt sich die Frage, ob eine Integration der Ars-moriendi-Prinzipien helfen könnte, ein neues Todes- und damit auch ein neues Lebensbewusstsein zu schaffen. Sicherlich würde eine vermehrte Integration des Sterbens und des Todes in die Gesellschaft zu einem bewussteren Leben führen, dabei so! llte man die mittelalterlichen Traditionen jedoch an die heuti! ge Zeit anpassen. Nächstenliebe, Pflege, Frieden mit sich selber und seinem Umfeld sowie Gesellschaft während des Sterbens sind immer noch Wünsche, die jeder Mensch hat. Heute spielt jedoch auch die Palliativmedizin mit Linderung von Schmerzen und anderen körperlichen Symptomen eine weitaus größere Rolle, wobei diese auch die vorher genannten spirituellen und psychologischen Aspekte integriert. Diese Palliativmedizin könnte eine Säule in einer modernen Ars-moriendi sein. Weitere Säulen wären eine Förderung der Sterbebegleitung durch Angehörige, Stärkung der seelsorgerischen Sterbebegleitung und die Schaffung eines geeigneten rechtlichen und finanziellen Rahmens durch den Staat. Mit dieser neuen Sterbekunst könnte es in Zukunft möglich sein, jedem Menschen ein Sterben in Würde zu ermöglichen und so das Sterben in den Alltag zu integrieren, um die Angst vor dem eigenen Tod zu lindern. Der Mensch muss sich seiner Sterblichkeit bewusst werden, um seine persönlich! e Lebens- und Sterbekunst zu finden.
Schlagwörter: Ars moriendi; Euthanasie; Sterbehilfe; Palliativmedizin