Negativer Rückblick oder positive Aussicht? Eine Online-Befragung Studierender der Medizin über ihre Erfahrungen während des Studiums
A negative review or a positive outlook? - An online survey of medical students on their experiences at university.
von Nadine Hilbert
Datum der mündl. Prüfung:2012-11-21
Erschienen:2012-09-26
Betreuer:Dr. Ildiko Gagyor
Gutachter:Prof. Dr. Wolfgang Himmel
Gutachter:PD Dr. Tobias Raupach
Gutachter:Prof. Dr. Martin Oppermann
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Format:PDF
Zusammenfassung
Englisch
Background Little is known about medical students' experiences related to their education in Germany. Objective To find out the kind and relevance of students' experiences during their medical education, with a special gender focus. Methods Using a self-assessed online questionnaire, we surveyed students at three points of time (basic science, clinical science and clinical year) about their positive and negative experiences. Results The overall participation rate was 32% (391/1.222). A total of 945 positive events and 1.640 negative events were reported. Identifying of role models during medical education was the most reported positive experience (83%). The most frequently negative experiences were lack of appreciation (56%) and rivalry (51%). Verbal abuse bothered the students most (59%). While the frequency of negative experiences was similarly distributed, female students felt more often bothered from negative experiences. Nearly two-thirds of the participants were satisfied with their medical education with a decreasing tendency (basis science: 78%, clinical science: 66%, clinical year: 55%). Both dissatisfaction and feeling bothered were strongly associated with the number of negative experiences. Conclusion This survey shows for the first time the frequency and significance of positive and negative experiences for students during medical education in Germany. This data can serve as a basis for further investigations and new hypotheses. The reduction of negative experiences and promotion of role models may be a chance to reduce students' dissatisfaction in the future.
Keywords: medical education; medical students; experiences; stress; sexual harassment; interpersonal relationships; medical education; medical students; experiences, stress; sexual harassment; interpersonal relationships
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Hintergrund
Das Umfeld der medizinischen Ausbildung ist vielfältig (z. B.
Hörsaal, Seminarraum, Labor, Klinik oder Praxis) und
Medizinstudierende kommen mit einer Vielzahl unterschiedlicher
Personengruppen (z.B. Hochschullehrer, Ärzte, Pflegepersonal,
Patienten u.a.) in Kontakt. Die unterschiedlichen sozialen
Anforderungen können mit positiven und auch mit negativen
Erfahrungen wie mangelnder Wertschätzung oder Diskriminierung
verbunden sein. In Deutschland liegen zu diesem Thema bisher kaum
empirisch verlässliche Erkenntnisse vor.
Fragestellung
Wie häufig erleben Medizinstudierende negative und positive
Erfahrungen während des Studiums? Welche Erfahrungen belasten die
Studierenden? In welchem Kontext treten die Erfahrungen auf?
Beeinflussen diese Erfahrungen die Studienzufriedenheit? Gibt es
Unterschiede zwischen den Geschlechtern?
Methode
In einer Online-Befragung wurden Medizinstudierende aller
Studienabschnitte der Universität Göttingen im Wintersemester
2008/09 zu folgenden Themen befragt: Wertschätzung der eigenen
Leistung, interpersonelle Konkurrenz, unangemessene Behandlung,
Benachteiligung aufgrund von Herkunft, Nationalität oder Hautfarbe,
körperliche Maßregelungen, unwillkommene sexuelle Erfahrungen sowie
Studienzufriedenheit. Neben der Häufigkeit stand die erlebte
Belastung durch eine Erfahrung im Vordergrund. Die Datenauswertung
erfolgte überwiegend deskriptiv; Zusammenhänge zwischen Erfahrungen
und Studienzufriedenheit wurden mittels multipler logistischer
Regression untersucht.
Ergebnisse
Knapp ein Drittel der zur Befragung eingeladenen Studierenden
(391/1.222) nahm teil. Insgesamt wurden 1.640 negative und 945
positive Ereignisse berichtet. 12% der Studierenden berichteten
weder positive noch negative Erfahrungen. Mangelnde Wertschätzung
(56%) und interpersonelle Konkurrenzsituationen (51%) waren die von
den Studentinnen und Studenten am häufigsten genannten negativen
Erfahrungen; 83% der Befragten berichteten über Vorbilder im
Studium. Verbal unangemessene Behandlung belastete die Studierenden
am stärksten. Sowohl negative als auch positive Erfahrungen fanden
sich besonders ausgeprägt im praktisch klinischen Alltag. Knapp
zwei Drittel der Befragten waren mit dem Studium zufrieden, wobei
in den höheren Semestern mehr Studierende unzufrieden waren, als in
den niedrigeren (Vorklinik: 78%, Klinik: 66%, PJ: 55%). Eine große
Zahl negativer Erfahrungen war der am stärksten mit
Studienunzufriedenheit assoziierte Faktor (signifikante Odds Ratio
von 3,1; 95%-Konfidenzintervall 1,9 – 5,1).
Schlussfolgerungen
Unsere Studie zeigt erstmals für eine deutsche Universität die
Häufigkeit positiver und negativer Erfahrungen von
Medizinstudierenden während des Studiums und die Belastung durch
diese Erfahrungen. Somit liegen Basisdaten für künftige
weiterführende Untersuchungen vor. Durch sie lassen sich empirisch
begründete Maßnahmen zur Vermeidung von Studienunzufriedenheit und
Sensibilisierung von Lehrenden zur besseren Kommunikation mit
Studierenden vorbereiten.
Schlagwörter: Medizinische Ausbildung; Medizinische Fakultäten; zwischenmenschliche Beziehungen; Einstellungen; Stress; Vorurteil; sexuelle Belästigung; Prävalenz