Neopaganismus Online
Neopaganism online
von Kristin Futterlieb
Datum der mündl. Prüfung:2008-09-29
Erschienen:2009-04-14
Betreuer:Prof. Dr. Andreas Grünschloß
Gutachter:Prof. Dr. Joachim, Gentz
Dateien
Name:futterlieb.pdf
Size:3.36Mb
Format:PDF
Description:Dissertation
Zusammenfassung
Englisch
This qualitative-hermeneutic study about contemporary neo-paganism on the internet explores the effect the medium World Wide Web has on neo-pagans and their construction of identity. The following three issues are elaborated as methodical reflections: first the choice of research instruments is explained, second the premises on which an analysis of the World Wide Web as action space, medium and source must be based are considered, and third the most important terms for the analysis are clarified. At this point two new terms are coined by the author: the ‘Open-Source’-Spiritualität (“open source spirituality”), based on Cowan, and cvK-unterstützte transformative Identitätskonstruktion (“transformative construction of identity by means of computer-mediated communication”). For both phenomena the World Wide Web is indispensable – and both could only emerge due to the possibilities of computer-mediated communication. The term ‘Open-Source’-Spiritualität signifies that this form of spirituality is developed in a community in the same way as software in ‘open-source’-networks in the IT-sector (e.g. developments for GNU/Linux). Everyone can contribute their views and there are no dogmas or restrictions from a higher hierarchical level. This form of spirituality is changing continuously. All new developments are shared with the community and can therefore be remodelled again by oneself as well as by other members. The “source code” is presented in a dialogical-collaborative way in virtual space, where it can be modified, individually “hacked” and incorporated into one’s part-identity in ‘physical life’. So ’Open-Source’-Spiritualität can never be a homogeneous and completed entity. The term CvK-unterstützte transformative Identitätskonstruktion illustrates that the identity work, that neo-pagans perform by means of computer-mediated communication, is a transformative construction of identity. Different elements are searched for, interlaced and reinterpreted in a highly individual manner, and merge into a personal spiritual part-identity, which therefore is in continual modification. After the methodical reflections a short overview is given of the main movements of modern neo-paganism. Exemplary abstracts from the World Wide Web are analysed and new peculiarities that have evolved there are investigated. It is shown that especially in individually and personally constructed ‘Open-Source’-Spiritualität, the autonomy of one’s specific religious belief as well as the equality of all individual spiritual perceptions is explicitly encouraged and inspired. The following chapter systematically analyses the major issues of neo-paganism (emphasized dissociation from Christianity, closeness to nature, and criticism of patriarchy) and examines the use of the computer-mediated communication. Then the empirical data is introduced, which has been collected additionally to the analysis of web sites and discussion forums. Two periods of interviews and a survey provided the extensive data, illustrating how neo-pagans themselves assess the significance of the World Wide Web, regarding the construction of their personal spiritual identity. The material greatly supports the assertions and propositions made in this thesis. In the next chapter the focus is on the main issue of this study, i.e. how neo-pagans use the World Wide Web as a communications platform to conduct the work of constructing identity, as required by the changed social conditions. In a critical recourse on Beck’s theses on the „risk society“ it is demonstrated how neo-pagans master the task of a bricolage-esque new construction of their spiritual identity by using the means provided by the internet. Therefore the specific neo-pagan way of handling this communications platform is explored and it is noted that neo-pagans in general do not use it as a spiritual space, but rather as a platform for information, contact and for networking with like-minded people. The increasing loss of “great narratives” (Lyotard) necessitates stronger work on individual “small narratives”, for which the World Wide Web provides a new and enormous “warehouse of ‘last’ meanings” (Luckmann). Neo-pagans are on a continual “spiritual ambulation” and meet on the internet at “virtual campfires”, which offer social embedding and exchange with kindred spirits. Often they are places for “coming out of the broom closet” (Cowan) and for meeting people, with whom reunions and friendships in ‘physical life’ can arise. This research study has achieved to show how for neo-pagans a new era has arisen since the accessibility and affordability of the World Wide Web gave them the means to access information, communicate, and gather together on- and offline with like-minded people. This allowed them to build personal and communal spiritual identities to an extend, which would otherwise not have been possible.Weitere Sprachen
In dieser qualitativ-hermeneutische Studie
zum zeitgenössischen Neopaganismus im Internet, wird untersucht,
welche Bedeutung das Medium World Wide Web für Neopagane in ihrer
Identitätskonstruktion aufweist. Nach der Einleitung werden in den
methodischen Überlegungen drei Themenblöcke bearbeitet, die für die
Durchführung der Forschung von Bedeutung sind: Erstens wird die
Auswahl der Recherchewerkzeuge dargelegt, zweitens werden
Voraussetzungen aufgezeigt, die vor einer Analyse des World Wide
Web als ‚Aktionsraum’, Medium und Quelle ermittelt und dann in der
Untersuchung berücksichtigt werden müssen, und drittens werden für
die Untersuchung wichtige Begriffsklärungen vorgenommen. Hier
werden insbesondere zwei Begriffe von der Autorin neu geprägt: Die
an Cowan angelehnte ‚Open-Source’-Spiritualität und die
cvK-unterstützte transformative Identitätskonstruktion. Beide
Phänomene haben das World Wide Web als unabdingbaren Ausgangspunkt
– und beide konnten erst durch die Möglichkeiten der
computervermittelten Kommunikation entstehen. Der Begriff
‚Open-Source’-Spiritualität zeigt, dass diese Spiritualität wie in
‚Open-Source’-Netzwerken im IT-Bereich (Bsp. Entwicklungen bei
GNU/Linux) in einer Gemeinschaft erarbeitet wird, in der jede und
jeder eigene Anschauungen mit einarbeiten darf und es keine Dogmen
oder Restriktionen von einer übergeordneten hierarchischen Ebene
gibt, und dass diese Spiritualität sich daher in einem stetigen
Veränderungsprozess befindet. Wie im IT-Bereich gibt es viele
individuelle Entwicklungen, die mit der Community geteilt und so
von unterschiedlichen Seiten wieder neu bearbeitet werden. Der
„Quellcode“ wird dialogisch-gemeinschaftlich im virtuellen Raum
präsentiert, modifiziert, individuell „gehackt“ und in die
spirituelle Teil-Identität im „physical life“ integriert. Die
‚Open-Source’-Spiritualität wird also nie eine einheitliche und
abgeschlossene Entität sein. Der Begriff CvK-unterstützte
transformative Identitätskonstruktion veranschaulicht, dass die von
Neopaganen mit Hilfe der Möglichkeiten der computervermittelten
Kommunikation geleistete Identitätsarbeit eine „transformative“
Identitätskonstruktion darstellt, da unterschiedliche Elemente
höchst individuell recherchiert, eingeflochten und umgedeutet
werden, und so in eine persönliche spirituelle Teil-Identität
einfließen, die sich dadurch beständig verändert. Darauffolgend
wird ein knapper Überblick der verschiedenen Hauptrichtungen des
modernen Neopaganismus gezeigt, der nicht nur durch beispielhafte
Auszüge aus dem World Wide Web illustriert wird, sondern auch die
neuen Ausprägungen, die dort entstanden sind untersucht. Es wird
deutlich, dass besonders individuelle und persönliche konstruierte
‚Open-Source’-Spiritualität, die Eigenständigkeit der jeweiligen
religiösen Überzeugung sowie die Gleichwertigkeit aller
individuellen spirituellen Vorstellungen ausdrücklich gefördert und
angeregt wird. Das daran anschließende Kapitel analysiert
systematisch die für den Neopaganismus zentralen Themen (betonte
Abgrenzung gegenüber dem Christentum, Naturverbundenheit und
Patriarchatskritik) und erarbeitet auch hier die durch das World
Wide Web genutzten Möglichkeiten der Kommunikation. Im letzten Teil
des Kapitels wird dann das umfangreiche empirische Datenmaterial
vorgestellt, das zusätzlich zu den Analysen der Webseiten und
–foren erhoben wurde und das immer wieder zur Untermauerung von
Aussagen und Thesen herangezogen werden kann. Die Daten wurden in
zwei Interviewphasen und per Fragebogen erhoben und geben
detailliert Auskunft darüber, wie Neopagane selbst die Rolle
beurteilen, die das World Wide Web bei der Ausbildung ihrer
persönlichen spirituellen Identität spielt. Im nachfolgenden
Kapitel wird die insgesamt untersuchungsleitende Fragestellung
fokussiert, wie das World Wide Web von Neopaganen als
Kommunikationsplattform genutzt wird, um hier die geschilderte neue
Art der Identitätsarbeit zu leisten, die aufgrund von veränderten
gesellschaftlichen Bedingungen scheinbar von ihnen gefordert wird .
Im kritischen Rückgriff auf Becks Thesen zur „Risikogesellschaft“
wird dargelegt, wie Neopagane diese Aufgabe einer
Bricollage-artigen Neukonstruktion ihrer spirituellen Identität
durch die Nutzung des Internets bewältigen. Es wird die genauere
Art und Weise des neopaganen Umgangs mit der
Kommunikationsplattform untersucht und festgestellt, dass Neopagane
diese in der Regel nicht als spirituellen Raum nutzen, sondern dass
sie vorrangig als Informations-, Kontakt, und Austauschrelais dient
und die Vernetzung mit Gleichgesinnten im Vordergrund steht. Der
zunehmende Verlust von „Großen Erzählungen“ bedingt eine verstärkte
Arbeit an individuellen „kleinen Erzählungen“, für die im World
Wide Web ein neues und umfangreiches „Warenlager ‚letzter’
Bedeutungen“ (Luckmann) zur Verfügung steht. Neopagane befinden
sich so auf einer fortwährenden „spirituellen Wanderung“ und
treffen sich im Netz an „virtuellen Lagerfeuern“, die ihnen eine
Beheimatung und den Austausch mit Gleichgesinnten bieten. Webseiten
sind oft ein Ort des „coming out of the broom closet“ (Cowan) und
des Kennenlernens von Personen, mit denen dann auch Treffen und
Freundschaften im ‚physical life’ entstehen können. In der
abschließenden Schlussfolgerung werden die Ergebnisse der Arbeit
dann gebündelt dargestellt:Es konnte gezeigt werden, dass für
Neopagane mit der Zugänglichkeit und der Bezahlbarkeit des World
Wide Web eine neue Ära begonnen hat. Es gab ihnen die Möglichkeit,
Informationen zu sammeln, sich auszutauschen, sich on- und offline
mit Gleichgesinnten zu treffen und dies alles zu nutzen, um ihre
spirituellen individuellen und Gemeinschafts-Identitäten zu
konstruieren. Dies alles wäre ohne die technischen Errungenschaften
des World Wide Web in diesem Maße nicht möglich geworden.