Mir grauet vor der Götter Neide - Der Neid der Eltern in Fallbeispielen und Literatur
The envy of the gods I fear - The envy of the parents in case studies and literature
by Sabine Behrens
Date of Examination:1998-12-04
Date of issue:2015-05-12
Advisor:Dr. Almuth Massing
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Name:Behrens Sabine_Mir grauet vor der Götter Nei...pdf
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Format:PDF
Description:Wissenschaftliche Abschlußarbeit zum Examen der Weiterbildung Psychoanalyse und Psychotherapie am Lou Andreas-Salomé Institut e. V. Göttingen
Abstract
English
In several psychoanalytic treatments during my training, I came across the fact that patients were inhibited in their own development because, among other reasons, they unconsciously feared the envy of a parent (usually the same sex) or even both parents. Also parents were not aware of their envy, which is quite explicable with reference to our prevailing ideas of a parent: parents in German families are supposed to have solely good intentions regarding their children and they only want the "Best" for them. Envy in the sense of "not allowing anything to anyone" would be downright contrary to our popular understanding of parenting and thus something of which a father or mother should be ashamed. Several discussions with training colleagues and friends have shown that parents of my generation (post-war, I was born in 1951) certainly had to face heavy inner conflicts in this respect, but these conflicts mostly remained unconscious. When we were born, our parents had lived through a late adolescence with war and displacement, that is fear of death, struggle for survival, hunger, many years of hardships and heavy losses, and, under certain circumstances, trauma as well. On top of that, they had the oppressive feeling to have been blinded and abused as a teenager and that it is ultimately all their "own fault". It is hard to imagine how this generation of parents might have felt seeing their own children growing up in peace and relative prosperity, practicing “inacceptable” freedoms. In addition, my generation confronted their parents in a way those parents would have never been able to do in their youth and we accused them for having followed the Nazi regime. First, I will outline a few cases that have impressed me in my clinical practice and then I will look at the parents’ envy in popular psychological literature, in fiction and in fairy tales. Thereafter, I will give a summary of my own psychoanalytic perspective of envy itself. Then I deal with some studies in which I found the authors in fact considering envy in parents. The penultimate section deals with the "slightly different" view of the myth of Oedipus and the oedipal crisis. The last section reflects a more recent contribution to a kind of envy that is important for my own professional group: the therapist‘s envy experiencing the patient’s positive development or seeing a patient being better off in some important aspects of life.
Keywords: envy; parents envy; jealousy concept; literature; fairy tale; psychoanalysis
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In mehreren psychoanalytischen Behandlungen während meiner Weiterbildung stieß ich auf die
Tatsache, dass Patienten in ihrer eigenen Entwicklung unter anderem deswegen gehemmt waren,
weil sie – in der Regel nicht ohne Grund – unbewusst den Neid eines Elternteils (zumeist des
gleichgeschlechtlichen) oder sogar beider Eltern fürchteten.
Auch den Eltern war ihr Neid nicht bewusst, was an Hand der bei uns herrschenden Vorstellungen,
wie Eltern zu sein haben, durchaus erklärbar ist: Eltern haben in der deutschen Familie für ihre Kinder
nur Gutes im Sinn und wollen nur deren „Bestes“. Neidgefühle im Sinne von „jemandem etwas nicht
gönnen“ wären geradezu konträr zu unserem landläufigen Verständnis von Elternsein und etwas,
wofür man sich als Vater oder Mutter schämen müsste, nicht zuletzt vor sich selbst.
Etliche Gespräche mit Weiterbildungskollegen und Freunden haben mir gezeigt, dass gerade die
Eltern meiner Generation (der Nachkriegskinder, ich bin Jahrgang 1951) in dieser Hinsicht sicher hart
mit sich selbst zu kämpfen hatten. Denn als wir geboren wurden, hatten unsere Eltern (sofern sie als
Paare überhaupt einander erhalten geblieben waren) eine Spätadoleszenz mit Krieg und Flucht, das
heißt, Todesangst, Überlebenskampf, Hunger, jahrelangen Entbehrungen und schweren Verlusten,
unter Umständen auch Traumatisierungen hinter sich und obendrein das beklemmende Gefühl, als
Jugendliche verblendet und missbraucht worden und letztlich an allem „selber schuld“ zu sein. Was
es für die Generation dieser Eltern bedeutet haben mag, zu sehen, wie ihre eigenen, in Frieden und
relativem Wohlstand aufgewachsenen Kinder ihre Jugend damit verbrachten, sich nie gekannte
Freiheiten herauszunehmen und obendrein die Eltern gründlich vor den Kopf zu stoßen (was sie sich
nie hatten herausnehmen dürfen) und anzuklagen, lässt sich schwer ermessen.
Zunächst skizziere ich einige Fälle, die sich mir aus dem klinischen Alltag eingeprägt haben und
beschäftige mich dann mit dem Elternneid in populärpsychologischer Literatur, in der Belletristik und
im Märchen. Im Anschluss gebe ich eine Zusammenfassung meiner eigenen psychoanalytischen
Sichtweise von Neid an sich. Danach beschäftige ich mit einigen Arbeiten, in denen ich in der Tat den
Elternneid beachtet fand. Der vorletzte Abschnitt referiert den „etwas anderen“ Blick auf den
Ödipus-Mythos und das ödipale Krise in der kindlichen Entwicklung.
Der letzte Abschnitt behandelt einen neueren Beitrag zu einer für unsere Berufsgruppe wichtige
Variante: Der Neid des Therapeuten auf den sich entwickelnden oder in irgendeiner Hinsicht ohnehin
bevorzugten Patienten.
Schlagwörter: Neid; Elternneid; Neidkonzept; Literatur; Märchen; Psychoanalyse; Kriegsenkel