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Natürliche Waldentwicklung unter dem Einfluss des Borkenkäfers im Nationalpark Berchtesgaden

Bestandesstruktur und Biodiversität im Verlauf von Störung und Sukzession

dc.contributor.advisorAmmer, Christian Prof. Dr.
dc.contributor.authorWinter, Maria-Barbara
dc.date.accessioned2016-06-24T08:14:42Z
dc.date.available2016-06-24T08:14:42Z
dc.date.issued2016-06-24
dc.identifier.urihttp://hdl.handle.net/11858/00-1735-0000-0028-8796-2
dc.identifier.urihttp://dx.doi.org/10.53846/goediss-5708
dc.description.abstractStörungen sind ein integraler Bestandteil von Waldökosystemen. Von einzelbaumweiser Seneszenz bis hin zu großflächigem Windwurf, Waldbrand oder Insektenbefall prägen sie natürlicherweise Artenzusammensetzung, Generationswechsel und Verjüngungsprozesse von Waldbeständen. Aufgrund wirtschaftsbedingt hoher Anteile an sekundären reinen Nadelholzbeständen und sich ändernden klimatischen Bedingungen ist der Einfluss großflächiger Störungen im letzten Jahrhundert in Mitteleuropa angestiegen und wird vermutlich auch zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen. Das ökosystemare Verständnis über die Wirkung dieser Störungsereignisse auf Artenzusammensetzung und natürliche Waldentwicklung ist wesentlich für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. Im Wirtschaftswald kann der Einfluss natürlicher Störungen aufgrund stetiger Einflussnahme durch Räumung, Pflanzung und Durchforstungen schwerlich untersucht werden. Großflächige Schutzgebiete mit dem Prozessschutz dienenden unbewirtschafteten Kernzonen bieten hingegen diese Möglichkeit. Am Beispiel des Nationalparks Berchtesgaden im südlichen Oberbayern (Deutschland) wurde daher exemplarisch für die Nördlichen Kalkalpen die natürliche Waldentwicklung unter dem Einfluss des Borkenkäfers und die Veränderungen von Bestandesstrukturen und Biodiversität im Verlauf von Störung und Sukzession untersucht. Durch den großen Holzbedarf der regional ansässigen Salinenindustrie ab dem 16. Jahrhundert, der jahrhundertelangen Kahlschlagswirtschaft und den hohen Wilddichten im Bayerischen Hofjagdgebiet wurden die natürlicherweise in den montane Lagen stockenden Bergmischwälder aus Europäischer Buche, Weißtanne und Gemeiner Fichte in überwiegend reine, sekundäre Fichtenwälder umgewandelt. Seit Einrichtung des Nationalparks Berchtesgaden 1978 kam es besonders nach den Winterstürmen Vivian/Wiebcke 1990 und Kyrill 2007 zu stärkerem Borkenkäferbefall. Luftbildauswertungen belegen ein zerstreutes und eher kleinflächiges Befallsgeschehen außerhalb des Maßnahmenbereichs Borkenkäferbekämpfung. Mittlere Befallsflächengrößen lagen bei 0,07 ha (1990-1997) und 0,29 ha (2007-2012); die Gesamtbefallsflächen betrugen 30 ha (1990-1997) und 260 ha (2007-2012). Mit der Methodik einer unechten Zeitreihe konnte auf 140 Probeflächen die Entwicklung unbefallener Fichtenaltbestände über das beginnende frühsukzessionale Stadium (1-5 Jahre nach Borkenkäferbefall) hin zum fortgeschrittenen frühsukzessionalen Stadium (17-25 Jahre nach Borkenkäferbefall) von montaner bis subalpiner Höhenstufe in sonn- und schattseitigen Lagen erfasst werden. Das Absterben der Fichtenaltbestände durch den Borkenkäferbefall führte zu einer signifikanten Reduktion der Bestandesvolumina und der Kronenüberschirmung auf den Befallsflächen bei gleichzeitig massiver Zunahme an stehendem Totholz. Erhebliche Anteile des stehenden Totholzes brachen bei fortschreitender Zersetzung im Verlauf der untersuchten etwa 20-jährigen Sukzession zusammen. Humusabbau und signifikante Veränderungen des Mesoklimas durch die Störung waren nicht nachzuweisen. Die durch das Absterben des Kronendachs erhöhten Anteile an direkter Strahlung am Waldboden führten zu einer zunehmenden Deckung und Höhe der Bodenvegetation. Trotz der verstärkten Konkurrenzsituation mit der Bodenvegetation kam es, besonders in montaner Lage, zu einer zügigen Verjüngung der Befallsflächen mit Jungwuchsdichten von im Median rund 5.000 Pflanzen > 50 cm Höhe und weiteren etwa 5.000 Pflanzen < 50 cm Höhe pro Hektar, zwei Jahrzehnte nach dem Borkenkäferbefall. Hochmontan war diese Entwicklung verzögert zu beobachten. Hier nahm Bedeutung des Totholzes als Keim- und Wuchssubstrat mit zunehmender Zersetzung zu. Der Jungwuchs wurde von Gemeiner Fichte, Bergahorn und Vogelbeere dominiert. Die natürlichen Hauptbaumarten des Bergmischwaldes – Europäische Buche und Weißtanne – fehlten jedoch aufgrund der historischen Bewirtschaftung und mangelnden Samenbäumen auch im Jungwuchs weitgehend. Die Störung führte unter anderem durch das räumlich unregelmäßige Aufkommen des Jungwuchses zu einer erhöhten strukturellen Heterogenität auf Bestandes- und Landschaftsebene. Entgegen der Erwartungen spielte die Vorausverjüngung für die Verjüngung nach dem Störungsereignis eine vernachlässigbar geringe Rolle. Mehr als 90 % der Jungwuchsindividuen waren nach dem Störungsereignis gekeimt und bestätigten damit eine große Resilienz der Bergwälder nach mittelgroßen Störungsereignissen unter der Voraussetzung angepasster Schalenwildbestände. Bei den untersuchten epigäischen Artengruppen waren keine Veränderungen (Käfer, Spinnentiere, Mollusken), bzw. ein Rückgang der Artenvielfalt (Springschwänze) aufgrund fehlender Streunachlieferung nach der Störung zu beobachten. Die licht-, nährstoff- und totholzbedürftigen Arten profitierten hingegen von den temporären Lückenbedingungen und reagierten überwiegend mit einem Anstieg der Artenvielfalt im Verlauf der Sukzession. Dieser Anstieg war auch zwei Jahrzehnte nach dem Störungsereignis trotz zunehmender Verjüngungsdichten noch zu beobachten. Dies verdeutlicht die Relevanz von sich langsam schließenden Bestandesöffnungen für eine vollständige Entwicklung der Biodiversität heliophiler Artengruppen in Waldökosystemen. Durch das Mosaik verschiedener, kleinräumig verbreiteter Sukzessionsstadien auf Landschaftsebene zeigten besonders die totholzbesiedelnden Pilze und Käfer eine hohe Gamma-Diversität im Gebiet. Die Artengemeinschaften der Gefäßpflanzen ähnelten sich hingegen stark in ihrer Artenzusammensetzung in den drei untersuchten Sukzessionsstadien und zeichneten sich mehr durch eine Verschiebung der Dominanzverhältnisse aus.   Räumung und Pflanzung auf Befallsflächen innerhalb des Maßnahmenbereichs Borkenkäferbekämpfung führten im Vergleich zu den unbehandelten Befallsflächen nicht zu einer Erhöhung der Jungwuchsdichten im beginnenden frühsukzessionalen Stadium, aber zu einer Steigerung der Anteile an Weißtanne und Europäischer Buche im Jungwuchs. Mollusken, Wanzen und bestäubende Käferarten reagierten auf die tendenziell höheren Strahlungsmengen am Waldboden und zeigten höhere Artenzahlen auf den geräumten Flächen. Zeitgleich veränderte die Räumung des befallenen Totholzes die Artenzusammensetzung vieler der untersuchten Artengruppen und reduzierte die Artenvielfalt der xylobionten Käfer. Der forstlichen und naturschutzfachlichen Praxis wird aus den Ergebnissen dieser Untersuchung heraus empfohlen, die durch natürlichen Störungen entstandenen Lücken und Strukturen zu nutzen, um den Erhalt von licht-, nährstoff- und totholzbedürftigen Artengruppen zu fördern und, soweit aus Gründen des Lawinen- und Forstschutzes möglich, auf Räumung und direkte Bepflanzung der Flächen zu verzichten. Wo es das Ziel ist, die natürliche Baumartenzusammensetzung der Bergmischwälder kurzfristig wieder herzustellen, müssen Buche und Tanne bei einem Mangel an Samenbäumen künstlich eingebracht werden. Ansonsten weisen die im Gebiet stockenden Bergwälder unter der Voraussetzung angepasster Wildbestände bei mittelgroßen Störungsereignissen eine große Resilienz auf und lassen ein Schließen der Bestandeslücken durch Naturverjüngung erwarten.de
dc.language.isodeude
dc.rights.urihttp://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/
dc.subject.ddc634de
dc.titleNatürliche Waldentwicklung unter dem Einfluss des Borkenkäfers im Nationalpark Berchtesgadende
dc.title.alternativeBestandesstruktur und Biodiversität im Verlauf von Störung und Sukzession
dc.typecumulativeThesisde
dc.title.translatedNatural forest dynamics following bark beetle outbreaks in the Berchtesgaden National Parkde
dc.contributor.refereeAmmer, Christian Prof. Dr.
dc.date.examination2016-06-17
dc.description.abstractengDisturbances are an integral part of forest ecosystems. Integrating single-tree dynamics to large-scale disturbances as windthrows, fire or insect calamities, disturbances influence natural species composition and regeneration processes of forest stands. Management-related high shares of pure secondary coniferous stands and changing climatic conditions have increased the impact of large-scale disturbances over the last century and it is likely that they are further going to increase in the future. Ecological knowledge about the impact of these disturbances on species composition and natural forest succession is essential for a sustainable forest management. Due to steady interventions with salvage-logging, planting and thinning activities, natural dynamics can hardly be studied in managed forests. However, large strictly protected areas enable such investigations. Therefore, natural forest succession following bark beetle-induced spruce dieback and the related changes in stand structure and biodiversity were studied in the Berchtesgaden National Park (Germany) in the Northern Limestone Alps. Centuries of intensive timber extraction, mainly due to salt mining, and intentionally high ungulate populations heavily altered the forest structures and species composition of the Berchtesgaden National Park from natural mixed mountain forests dominated by European beech, silver fir and Norway spruce towards homogenous stands consisting purely or predominantly of Norway spruce. Following the establishment of the national park in 1978, severe bark beetle infestations occurred especially after the winter storms Vivian/Wiebcke in 1990 and Kyrill in 2007. Evaluations of aerial photographs revealed a scattered and rather small-scale development of the bark beetle infestations. Mean gap sizes comprised 0.07 ha (1990-1997) and 0.29 ha (2007-2012) and total infestation areas covered 30 ha (1990-1997) and 260 ha (2007-2012). Applying a chronosequence of 140 study plots of undisturbed secondary spruce stands (mature stage), stands affected by bark beetles within the last five years (initial early-seral stage) and stands infested in the 1990s (advanced early-seral stage) forest succession could be surveyed in montane to subalpine altitudinal zones, on south- and north-facing slopes. The bark beetle-induced dieback of the mature spruce stands caused a significant reduction of stand volumes and crown cover, but initiated a huge emergence of standing deadwood. Large shares of the standing deadwood broke down due to decomposition during the first two decades of succession. Humus degradation and significant changes in mesoclimatic conditions could not be detected. The significantly increased shares of direct radiation at the forest floor induced by the spruce dieback, increased cover and height of the ground vegetation.   Albeit the intensified competition with the ground vegetation, the gaps got regenerated rather fast. Around 5.000 regeneration individuals (> 50 cm height) could be found in median per hectare in the montane zone two decades after the bark beetle infestation. This development was slightly protracted in high montane zones, where the importance of deadwood as growing substrate increased with altitude and decay stage. Natural regeneration was dominated by Norway spruce, sycamore maple and rowan. European beech and silver fir would naturally dominate the mixed mountain forests, but where found in very little shares as seed trees and as regeneration individuals in this study, due to historical forest management. The disturbance and the scattered patterns of the post-disturbance regeneration initiated an increase of structural heterogeneity on stand and landscape level. The importance of advance regeneration for the regeneration process was almost negligible. Contrary to the expectations, more than 90 % of the seedlings did germinate after the disturbance event. This indicates a high resilience of the mountain forests after medium-scale disturbance, if present ungulate densities enable the survival of the natural regeneration. The studied epigaic species groups showed no changes (Coleoptera, Arachnida, Mollusca) as well as decreasing species densities (Collembola) due to missing litter supply after the disturbance. Contrary, the light, nutrient and dead wood dependent species did profit from the temporary gap conditions and revealed a significant increase in species densities during succession. The findings suggest that in unmanaged forests after bark beetle attack, a structurally complex phase prior to tree canopy closure can last several decades, and that many aspects of early-seral biodiversity and ecosystem function only fully develop given this extended time period. The mosaic of the different small-scale successional stages revealed a high gamma diversity, especially for wood-inhabiting fungi and saproxylic beetles. The species compositions of vascular plants did not vary significantly among the successional stages on landscape scale. Differences among the stages got rather visible as shifts in species dominances. Salvage-logging and planting in the infested stands of the bark beetle management zone did not lead to higher regeneration densities than in unmanaged stands during the initial early-seral stage. However, the planting activities increased the shares of European beech and silver fir in the managed parts of the national park. Mollusks, true bugs and pollinating beetle species showed a positive response on the slightly higher radiation amounts in the salvage-logged gaps and revealed higher species densities on these sites. At the same time, the logging changed the species composition of many species groups and significantly decreased the species densities of the saproxylic beetles inside the bark beetles management zone.   Where management of moutain forests includes objectives for sustaining biodiversity, accommodating the protracted early-seral stage is important to supporting the full range of organisms and functions associated with canopy-opening disturbances. European beech and silver fir need to be planted in managed forests, where involvement of these species is of prime importance and seed trees are missing. However, under comparable post-disturbance conditions, the high resilience of the mountain forests is expected to lead to fair natural regeneration densities, if ungulates are managed accordingly.de
dc.contributor.coRefereeMüller, Jörg Prof. Dr.
dc.title.alternativeTranslatedForest structure and biodiversity during disturbance and succession
dc.subject.gerWalddynamikde
dc.subject.gerNatürliche Störungende
dc.subject.gerSukzessionde
dc.subject.gerBiodiversitätde
dc.subject.gerNaturverjüngungde
dc.subject.gerNördliche Kalkalpende
dc.subject.engForest dynamicsde
dc.subject.engNatural disturbancesde
dc.subject.engSucessionde
dc.subject.engBiodiversityde
dc.subject.engNatural regenerationde
dc.subject.engNorthern Limestone Alpsde
dc.identifier.urnurn:nbn:de:gbv:7-11858/00-1735-0000-0028-8796-2-5
dc.affiliation.instituteFakultät für Forstwissenschaften und Waldökologiede
dc.subject.gokfullForstwirtschaft (PPN621305413)de
dc.identifier.ppn861982029


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