Verbessert eine COVID-19-Impfung die soziale Teilhabe immunsupprimierter Personen?
Erkenntnisse aus einer multizentrischen Beobachtungsstudie
von Gloria Heesen
Datum der mündl. Prüfung:2023-11-28
Erschienen:2023-11-13
Betreuer:Dr. Stephanie Heinemann
Gutachter:Prof. Dr. Eva Hummers
Gutachter:Prof. Dr. Jens Wiltfang
Dateien
Name:Diss_GH_final_ediss_101123_.pdf
Size:6.73Mb
Format:PDF
Zusammenfassung
Englisch
Background. The COVID-19 pandemic has affected the organisation of daily life in many ways. In particular, people with a high risk of severe disease progression, such as immunocompromised people, may have experienced major changes in social participation during the pandemic, partly due to their safety behaviour. Basic COVID-19 immunisation could have changed the behaviour of immunocompromised people and thus influenced their social participation and mental health. Research question. Does COVID-19 vaccination improve the social participation of immunocompromised people? Method. From March 2021, 274 immunocompromised people aged 18 and over were recruited as part of the Covid Contact Immune Study (CoCo Immune Study) in Lower Saxony. Surveys on social participation were conducted at three points in time - before basic immunisation against COVID-19 and one month and six months after basic immunisation - using the Index for Measuring Restrictions on Participation. In addition, mental health was measured using the Patient Health Questionnaire-4. Subjective health status and quality of life were each assessed using a five-point Likert scale. Results. An increase in social participation was observed in immunocompromised patients one month after basic immunisation. The areas of "social activities", "recreation and leisure" and "close personal relationships" were responsible for the overall change in social participation. The improvement in participation one month after basic immunisation stabilised over the following five months. Overall, approximately 60% of participants showed an improvement in social participation six months after immunisation compared to before immunisation. A high degree of variability in the individual changes in social participation was observed. The effect was significant for individual immunocompromised test subjects. No correlation was found between social participation, mental health or socio-demographic factors. Hypertension was the only medical factor that showed a negative association with social participation. Discussion. The observed strength of the increase in social participation after basic immunisation is comparable to medical rehabilitation. The feeling of being protected by basic immunisation could explain the increased social participation after vaccination. However, if this perception of increased social participation also leads to an increase in actual social interactions, it could increase the risk of COVID-19 infection in immunocompromised individuals. Further research is needed to explore the exact reasons and health implications of increased social participation in immunocompromised individuals.
Keywords: social participation; immunocompromised persons; COVID-19; observational study; quality of life; mental health status
Deutsch
Hintergrund. Die COVID-19-Pandemie hat die Gestaltung des täglichen Lebens in vielfältiger Weise beeinflusst. Insbesondere bei Personen mit einem hohen Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, wie immungeschwächte Menschen, kann es während der Pandemie unter anderem aufgrund ihres Sicherheitsverhaltens zu großen Veränderungen in der sozialen Teilhabe gekommen sein. Eine COVID-19-Grundimmunisierung könnte das Verhalten von immungeschwächten Personen verändert und damit die soziale Teilhabe und die psychische Gesundheit beeinflusst haben. Fragestellung. Verbessert eine COVID-19-Impfung die soziale Teilhabe immunsupprimierter Personen? Methode. Ab März 2021 wurden 274 immungeschwächte Personen ab 18 Jahren im Rahmen der Covid-Contact Immunstudie (CoCo Immunstudie) in Niedersachsen rekrutiert. Zu drei Zeitpunkten – vor der Grundimmunisierung gegen COVID-19 sowie einen Monat und sechs Monate nach Grundimmunisierung – wurden Erhebungen zur sozialen Teilhabe mit Hilfe des Index zur Messung der Einschränkungen der Teilhabe durchgeführt. Zusätzlich wurde die psychische Gesundheit mittels des Patient Health Questionnaire-4 gemessen. Der subjektive Gesundheitszustand und Lebensqualität wurden jeweils anhand einer fünfstufigen Likert-Skala erhoben. Ergebnisse. Ein Anstieg der sozialen Teilhabe bei Immunsupprimierten konnte einen Monat nach Grundimmunisierung beobachtet werden. Die Bereiche "Soziale Aktivitäten", "Erholung und Freizeit" und "Enge persönliche Beziehungen" waren für die Gesamtveränderung der sozialen Teilhabe verantwortlich. Die Verbesserung der Teilhabe einen Monat nach Grundimmunisierung stabilisierte sich in den folgenden fünf Monaten. Insgesamt zeigte sich bei ca. 60% der Teilnehmerinnen eine Verbesserung der sozialen Teilhabe sechs Monate nach Impfung im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Impfung. Eine hohe Variabilität der individuellen Veränderungen der sozialen Teilhabe konnte beobachtet werden. Für einzelne immunsupprimierte Probandinnen war der Effekt erheblich. Es wurde kein Zusammenhang zwischen der sozialen Teilhabe, der psychischen Gesundheit oder soziodemografischen Faktoren festgestellt. Bluthochdruck war der einzige medizinische Faktor, der eine negative Assoziation zur sozialen Teilhabe aufwies. Diskussion. Die beobachtete Stärke des Anstiegs der sozialen Teilhabe nach Grundimmunisierung ist mit einer medizinischen Rehabilitation vergleichbar. Das Gefühl, durch die Grundimmunisierung geschützt zu sein, könnte die gesteigerte soziale Teilhabe nach der Impfung erklären. Falls diese Wahrnehmung der gesteigerten sozialen Teilhabe auch zu einer Zunahme an tatsächlichen sozialen Interaktionen führt, könnte jedoch das Risiko einer COVID-19-Infektion bei immungeschwächten Personen erhöhen. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um die genauen Gründe und die gesundheitlichen Implikationen einer stärkeren sozialen Teilhabe von immungeschwächten Personen zu erforschen.
Schlagwörter: immunsupprimierte Personen; soziale Teilhabe; mentale Gesundheit; COVID-19