Außermedizinische Wünsche am Lebensende von schwer erkrankten Menschen
Eine qualitative Studie zur Bedeutung und Entstehung außermedizinischer Wünsche am Beispiel der Projekte „Der Wünschewagen – Letzte Wünsche wagen“ (ASB), „Herzenswunsch-Hospizmobil“ (BRK) und „Herzenswunsch-Krankenwagen“ (MHD)
Non-medical wishes at the end of life of terminally ill people
A qualitative study on the significance and development of non-medical wishes using the example of the projects "Der Wünschewagen - Letzte Wünsche wagen" (ASB), "Herzenswunsch-Hospizmobil" (BRK) and "Herzenswunsch-Krankenwagen" (MHD)
by Sina Herrmann
Date of Examination:2024-01-23
Date of issue:2024-01-08
Advisor:Prof. Dr. Friedemann Nauck
Referee:Prof. Dr. Friedemann Nauck
Referee:Prof. Dr. Alfred Simon
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Name:Herrmann_Sina_Dissertation.pdf
Size:1.84Mb
Format:PDF
Abstract
English
The topic of wishes at the end of life is widely discussed in the media, but mostly limited to aspects of medical treatment at the end of life (e. g. living wills, organ donor cards). For palliative care, the holistic view of patients is essential, which is why attention should be paid not only to medical wishes at the end of life, but also to non-medical ones. Various aid agencies in Germany have developed several voluntary projects financed by donations that aim to fulfill a last non-medical wish (= last wish) of terminally ill people at the end of their lives. For the first time, scientific research is being carried out concerning the emergence of last wishes by terminally ill people and the significance of them, which are fulfilled by one of the wish-fulfilling projects. As part of this qualitative study, biographical-narrative interviews were conducted with terminally ill adults who get granted a last wish (= wishing person) by the wish-fulfilling projects "Der Wünschwagen - Letzte Wünsche wagen" by the Arbeiter-Samariter-Bund, "Herzenswunsch-Hospizmobil" by the Bayerisches Rotes Kreuz and "Herzenswunsch-Krankenwagen" by the Malteser Hilfsdienst (n = 7). Coordinators from the wish-fulfilling project of the Arbeiter-Samariter-Bund (n = 3) and a hospice coordinator from a German university hospital were also interviewed narratively. The transcribed data was analyzed using Grounded Theory according to Strauss, Corbin and Strübing. The common central meaning behind the various last wishes is a striving for personal fulfillment at the end of life. This is caused by the wishing person's own awareness of being at the end of their life and/or by a confrontation with the end of their life through their social environment. The pursuit of personal fulfillment at the end of life leads the wishing person to a reflection on their own life, which can be affected by the question of the meaning/goal of life or an awareness of their own longings and passions at the end of life. Likewise, a focus on the constants in life, emerging remorse, a presentation of unfulfilled wishes or a confrontation with death can be part of the reflection on one's own life. The reflection takes place against the background of the serious incurable illness and its effects on various areas. Experienced ups and downs in life, the burden of the COVID-19 pandemic or support from various sides (social and spiritual) shape the reflection on one's own life. The grief process of the wishing person can have a positive or negative effect on reflection at the end of life. On the basis of this reflection, with the aim of personal fulfillment at the end of life, last wishes are expressed by the wishing person. The last wishes expressed by the wishing person turn out to be very meaningful and personally unique. A wish-fulfilling journey can be perceived by the wishing person and their loved ones as both an enrichment and a burden. In order to do justice to the striving for personal fulfillment at the end of life, the last wishes of the wishing person should arise intrinsically from them. They should therefore arise from their own awareness of being at the end of life and a subsequent reflection on their own life. The registration of last wishes in wish-fulfilling projects should not be rushed or used by third parties as a 'well-intentioned gift at the end of life'. However, such wish-fulfilling projects should not be denied to terminally ill people at the end of their lives. Thus, intrinsically created last wishes can have a very fulfilling character at the end of life. Accompanying offers for the wish-fulfilling journey are recommended in order to be able to work through the last wish, the associated reflection on one's own life and possible fears regarding the wish-fulfilling journey.
Keywords: non-medical wishes; end of life; wish-fulfilling projects; qualitative research
German
Das Thema Wünsche am Lebensende wird in der medialen Öffentlichkeit breit diskutiert, zumeist jedoch auf Aspekte der medizinischen Behandlung am Lebensende beschränkt (z. B. Patientenverfügungen, Organspendeausweise). Für die Palliativmedizin steht die ganzheitliche Betrachtung von Patient*innen im Vordergrund, weshalb nicht nur den medizinischen Wünschen am Lebensende Beachtung geschenkt werden sollte, sondern auch den außermedizinischen. Von Seiten verschiedener Hilfsorganisationen entwickelten sich in Deutschland mehrere ehrenamtliche, durch Spenden finanzierte Projekte, welche schwer erkrankten Menschen einen letzten außermedizinischen Wunsch am Lebensende erfüllen möchten. Wissenschaftlich untersucht wird erstmals, wie es zur Wunschentstehung bei den schwer Erkrankten kommt und was für eine Bedeutung hinter deren letzten Wunsch steht, der ihnen durch eines der wunscherfüllenden Projekte erfüllt wird. Mit erwachsenen Wünschenden der wunscherfüllenden Projekte „Der Wünschewagen – Letzte Wünsche wagen“ vom Arbeiter-Samariter-Bund, „Herzenswunsch-Hospizmobil“ vom Bayerischen Roten Kreuz und „Herzenswunsch-Krankenwagen“ vom Malteserhilfsdienst wurden im Rahmen einer qualitativen Studie biographisch-narrative Interviews geführt (n = 7). Ebenso wurden Koordinator*innen vom wunscherfüllenden Projekt des Arbeiter-Samariter-Bundes (n = 3) und eine Hospizkoordinatorin eines deutschen Universitätsklinikums narrativ interviewt. Die Auswertung der transkribierten Daten erfolgte mittels Grounded Theory nach Strauss, Corbin und Strübing. Als gemeinsame zentrale Bedeutung hinter den unterschiedlichen letzten außermedizinischen Wünschen bildet sich ein Streben nach persönlicher Erfüllung am Lebensende ab. Dieses ist bedingt durch das eigene Bewusstsein der Wünschenden dafür am eigenen Lebensende zu stehen und/oder durch eine Konfrontation mit dem eigenen Lebensende durch das soziale Umfeld dieser. Das Streben nach persönlicher Erfüllung am Lebensende führt zu einer Reflexion der Wünschenden über ihr eigenes Leben, welche von der Frage nach dem Lebenssinn/-ziel oder einem Bewusstwerden der eigenen Sehnsüchte und Leidenschaften am Lebensende geprägt sein kann. Ebenso können eine Fokussierung auf die Konstanten im Leben, aufkommende Reue, ein Präsentwerden unerfüllter Wünsche oder eine Auseinandersetzung mit dem Tod Teil der Reflexion über das eigene Leben sein. Die Reflexion findet vor dem Hintergrund der schweren, unheilbaren Erkrankung mit ihren Auswirkungen in verschiedenen Bereichen statt. Erlebte Höhen und Tiefen im Leben, die Belastung durch die COVID-19 Pandemie oder ein Rückhalt von verschiedenen Seiten (sozial und spirituell) prägen die Reflexion über das eigene Leben. Der Trauerprozess der Wünschenden kann sich fördernd oder hemmend auf die Reflexion am Lebensende auswirken. Auf Grundlage dieser Reflexion über das eigene Leben, mit dem Bestreben einer persönlichen Erfüllung am Lebensende, kommt es zur Wunschäußerung von Seiten der Wünschenden und gegebenenfalls einer Wunschfahrt durch eines der wunscherfüllenden Projekte. Die geäußerten letzten Wünsche der Wünschenden stellen sich als sehr bedeutungsvoll und persönlich einzigartig dar. Eine Wunschfahrt kann von den Wünschenden und deren An- und Zugehörigen sowohl als Lebensbereicherung als auch als Belastung wahrgenommen werden. Um dem Streben der persönlichen Erfüllung am Lebensende gerecht werden zu können, sollten die letzten Wünsche der Wünschenden intrinsisch bei diesen entstehen. Sie sollten somit aus deren eigenen Bewusstsein heraus am Lebensende zu stehen und einer sich anschließenden Reflexion über das eigene Leben hervorgehen. Eine Anmeldung letzter Wünschen bei wunscherfüllenden Projekten sollte nicht übereilt erfolgen oder von Seiten Dritter als ‚gut gemeintes Geschenk am Lebensende‘ genutzt werden. Jedoch sollten solch wunscherfüllende Projekte schwer erkrankten Menschen an ihrem Lebensende auch nicht verwehrt bleiben. So können intrinsisch entstandene letzte Wünsche doch einen sehr erfüllenden Charakter am Lebensende haben. Begleitende Angebote zur Wunschfahrt sind empfehlenswert, um den letzten Wunsch, die damit einhergehende Reflexion über das eigene Leben und mögliche Ängste bezüglich der Wunschfahrt aufarbeiten zu können.
Schlagwörter: Außermedizinische Wünsche; Lebensende; Wunscherfüllende Projekte; Qualitative Forschung