Treffsicherheit der von Notärzten gestellten Verdachtsdiagnose eines ischämischen oder eines hämorrhagischen Schlaganfalls
Eine retrospektive Analyse zur diagnostischen Unterscheidung beider Krankheitsbilder
Accuracy of the suspected diagnosis of ischemic or hemorrhagic stroke made by emergency physicians
A retrospective analysis for the diagnostic differentiation of both clinical pictures
by Lea Marie Stutz
Date of Examination:2024-10-17
Date of issue:2024-10-04
Advisor:Prof. Dr. Markus Roessler
Referee:Prof. Dr. Markus Roessler
Referee:PD Dr. Katrin Wasser
Referee:Prof. Dr. Sabine Blaschke-Steinbrecher
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Format:PDF
Abstract
English
Stroke is the second most common cause of death worldwide and a frequent emergency in the emergency services. The definition of a stroke is an acute neurological deficit due to a lesion in the central nervous system. A distinction is made between an ischemic stroke with occlusion of an artery supplying the brain (approx. 80-85%) and a hemorrhagic stroke with bleeding into the intracerebral or subarachnoid space (approx. 15-20%). Clinical manifestations often include hemiparesis, aphasia, neglect and reduced vigilance. A stroke requires immediate care in a suitable center. Depending on the severity of the clinical picture and the suspected cause, patients should ideally be admitted primarily to a suitable clinic that has either a stroke unit, a comprehensive stroke unit - i.e. with the option of thrombectomy - or a neurosurgical clinic. A preclinical assessment of the underlying aetiology is therefore essential. However, a definitive differentiation is not possible without diagnostic imaging. The aim of the study was to analyze how accurately emergency physicians can distinguish an ischemic stroke from a hemorrhagic stroke preclinically, to record deviating diagnoses and to identify anamnestic or clinical findings that correlate with a certain form of stroke. For this purpose, emergency physician deployment protocols of the city of Göttingen from 2011- 2017 were analyzed and 1201 data records were included in the statistical analysis. A subdivision was made into confirmed and unconfirmed suspected diagnoses. 55.5% of the preclinical suspected diagnoses were correct, which is an acceptable but also improvable value in view of the fact that it is exclusively a clinical assessment without imaging diagnostics. The deviating diagnoses were most frequently so-called stroke mimics. In this group, epileptic seizures were the most common differential diagnosis. A descriptive analysis of clinical and diagnostic predictors, including age, gender, blood pressure, ECG rhythm, Glasgow Coma Scale, intubation and ventilation, was performed on the confirmed diagnoses. Multiple binary logistic regression was used to analyze the influence of the above-mentioned predictors on the dependent variable of the presence of ischemia. Age, the Glasgow Coma Scale and ventilation showed significant differences in the differentiation between ischemia and hemorrhage. No significant differences between ischemia and hemorrhage were found for the factors blood pressure and hemiparesis. Finally, a decision tree was designed to predict the probability of occurrence of ischemia or hemorrhage using chi-square tests. It was divided into several nodes based on the available p-values. It was found that respiration (83.8%) had the highest significance for predicting hemorrhage. Non-ventilated patients were further differentiated by age and subsequently by GCS. The probability of ischemia is 97.1% with an age >71 years and a GCS >9. The probability of hemorrhage with the above age is 2.9%. In patients aged <58 years without ventilation, the probability of hemorrhage is 22%. A high rate of confounder diagnoses due to neurological abnormalities was striking; the underlying etiology was frequently an epileptic seizure and exsiccosis. Whether a better differentiation can be achieved through a more targeted query by control center dispatchers, through intensified training of rescue service personnel or through more specific anamnesis and primary diagnostics should be the subject of further research. The fact that even today only the GCS and singular neurological abnormalities are essentially queried on the standardized emergency department protocols, but no scores specific to stroke, should be changed, as there are already some simple and validated scores for this clinical picture.
Keywords: ischemic Stroke; hemmorhagic Stroke; Preclinic Differentiation Stroke; GCS; preclinic Intubation; neurological deficit
German
Der Schlaganfall ist weltweit die zweithäufigste Todesursache und ein häufiges Not- fallbild im Rettungsdienst. Die Definition eines Schlaganfalls ist ein akut auftreten- des neurologisches Defizit aufgrund einer Läsion im zentralen Nervensystem. Dabei wird zwischen einem ischämischen Schlaganfall mit einem Verschluss einer hirn- versorgenden Arterie (ca. 80-85%) und einem hämorrhagischen Schlaganfall mit Blutung in den intrazerebralen oder subarachnoidalen Raum (ca. 15-20%) unter- schieden. Klinisch zeigt sich häufig eine Hemiparese, eine Aphasie, ein Neglect so- wie eine Vigilanzminderung. Ein Schlaganfall erfordert eine umgehende Versorgung in einem dafür geeigneten Zentrum. Abhängig von der Schwere des Krankheitsbil- des und der vermuteten Ursache sollten Patienten idealerweise primär in eine ge- eignete Klinik eigewiesen werden, die entweder über eine Stroke Unit, eine Com- prehensive Stroke Unit – d. h. mit der Möglichkeit einer Thrombektomie – oder eine neurochirurgische Klinik verfügt. Daher ist eine präklinische Einschätzung der zu- grunde liegenden Ätiologie essentiell. Eine definitive Unterscheidung dieser ist aber ohne bildgebende Diagnostik nicht möglich. Zielsetzung der Arbeit war es zu analysieren, wie treffsicher Notärzte präklinisch einen ischämischen von einem hämorrhagischen Schlaganfall unterscheiden kön- nen, abweichende Diagnosen zu erfassen und anamnestische oder klinische Be- funde zu identifizieren, die mit einer bestimmten Form des Schlaganfalls korrelieren. Hierzu wurden Notarzt-Einsatzprotokolle der Stadt Göttingen aus den Jahren 2011- 2017 analysiert und 1201 Datensätze in die statistische Analyse eingeschlossen. Es erfolgte eine Unterteilung in bestätigte und unbestätigte Verdachtsdiagnosen. 55,5% der präklinisch gestellten Verdachtsdiagnosen waren zutreffend, was vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich ausschließlich um eine klinische Ein- schätzung ohne bildgebende Diagnostik handelt, ein akzeptabler, aber auch ver- besserbarer Wert ist. Bei den abweichenden Diagnosen handelte es sich am häufigsten um so genannte Schlaganfall-Imitatoren oder StrokeMimics. In dieser Gruppe waren epileptische Anfälle die am häufigsten gestellte Differenzialdiagnose. Bei den bestätigten Diagnosen wurde eine deskriptive Analyse von klinischen und diagnostischen Prädiktoren, unter anderem Alter, Geschlecht, Blutdruck, EKG- Rhythmus, Glasgow Coma Scale sowie Intubation und Beatmung durchgeführt. Es erfolgte eine multiple binäre logistische Regression, um den Einfluss der oben ge- nannten Prädiktoren auf die abhängige Variable einer vorliegenden Ischämie zu analysieren. Das Alter, die Glasgow Coma Scale sowie die Beatmung zeigten signi- fikante Unterschiede in der Unterscheidung zwischen Ischämie und Hämorrhagie. Bei den Faktoren Blutdruck und Hemiparese konnten keine signifikanten Unter- schiede zwischen Ischämie und Hämorrhagie gefunden werden. Schließlich wurde ein Entscheidungsbaum konzipiert, mit dem unter Anwendung von Chi-Quadrat-Tests Vorhersagen über Eintrittswahrscheinlichkeiten einer Ischä- mie oder Hämorrhagie gemacht werden können. Es erfolgte die Aufteilung in meh- rere Knotenpunkte anhand der vorliegenden p-Werte. Es zeigte sich, dass eine Be- atmung (83,8%) die höchste Signifikanz zur Vorhersage einer Hämorrhagie hat. Nicht-beatmete Patienten wurden weiter anhand des Alters und nachfolgend mit der GCS differenziert. Die Wahrscheinlichkeit einer Ischämie liegt bei einem Alter >71 Jahren und einer GCS >9 bei 97,1%. Die Wahrscheinlichkeit einer Hämorrhagie mit o.g Alter bei 2,9%. Bei Patienten mit einem Alter <58 Jahre ohne Beatmung liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Hämorrhagie bei 22%. Auffällig war eine hohe Rate an Confounder-Diagnosen durch neurologische Auf- fälligkeiten, die zugrunde liegende Ätiologie war häufig ein epileptischer Anfall sowie eine Exsikkose. Ob durch eine gezieltere Abfrage durch Leitstellendisponenten, durch eine intensivierte Schulung des Rettungsdienstpersonals oder durch eine spezifischere Anamnese und Primärdiagnostik eine bessere Differenzierung ge- lingt, sollte Gegenstand weiterer Forschungen sein. Dass auch heute noch im Wesentlichen nur der GCS und singuläre neurologische Auffälligkeiten auf den standardisierten Notarzteinsatzprotokollen abgefragt wer- den, aber keine für den Schlaganfall spezifische Scores, sollte geändert werden, da es bereits einige einfache und validierte Scores für dieses Krankheitsbild gibt.
Schlagwörter: Unterscheidung Ischämie und Hämorrhagie; Hämorrhagischer Schlaganfall; Ischämischer Schlaganfall; Notfallmedizin; Präklinische Intubation; GCS