Evaluation des Einflusses einer Beckenfraktur auf klinische Parameter und das Outcome Schwerverletzter eines überregionalen Traumazentrums
Evaluation of the Impact of Pelvic Fractures on Clinical Parameters and the Outcome of Severely Injured Patients in a Regional Trauma Center
by Robert Martin
Date of Examination:2025-03-13
Date of issue:2025-02-06
Advisor:Prof. Dr. Arndt Schilling
Referee:Prof. Dr. Arndt Schilling
Referee:Prof. Dr. Joachim Lotz
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Format:PDF
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Abstract
English
The prevalence of pelvic fractures has remained constant at 3–8% over the years. Despite continuous advancements in medicine and a general reduction in trauma-related mortality, pelvic ring fractures are often associated with polytrauma and severe, complication-prone injuries, posing a critical survival risk for patients. The variability of pelvic trauma, with differing severities, dislocation patterns, and potential organ and soft tissue involvement, has made consistent representation in the literature challenging. Increased mortality is often attributed to direct exsanguination or multiorgan failure due to massive retroperitoneal bleeding from the presacral venous plexus, bone, or, in rare life-threatening cases, the iliac arteries. Nevertheless, pelvic fractures are frequently regarded as secondary injuries in polytrauma, overshadowed by other life-threatening conditions. The question of whether pelvic ring injuries independently contribute to trauma-related mortality remains unresolved and forms the basis
Keywords: Pelvic fractures; Polytrauma; Trauma-related mortality; Pelvic binder
German
Die Prävalenz von Beckenfrakturen ist mit 3-8% über die Jahre konstant geblieben. Trotz eines stetigen Fortschritts in der Medizin und einer allgemeinen Reduktion der Mortalität nach Trauma über die Jahre, sind Beckenringfrakturen häufig mit Polytraumata vergesellschaftet und werden in vielen Fällen mit besonders schweren und komplikationsreichen Unfällen assoziiert, die bis heute ein kritisches Risiko für das Überleben der Patienten darstellen. Die Versatilität des Beckentraumas mit sehr unterschiedlichen Schweregraden, Varianten der Dislokation und möglicher Organ- und Weichgewebsbeteiligung hat eine einheitliche Darstellung in der Literatur bis heute erschwert. Viele Autoren führen eine erhöhte Mortalität auf direkten Verblutungstod oder Multiorganversagen nach massivem retroperitonealen Blutverlust aus dem präsakralen Venenplexus, direkt aus dem Knochen oder in seltenen und besonders lebensbedrohlichen Fällen auch aus den Iliakalarterien zurück. Nichtsdestotrotz wird die Beckenfraktur häufig in der Literatur als zweitrangige Folge eines Polytraumas und als Begleitverletzung anderer primär lebensbedrohlicher Verletzungen abgetan. Die Frage, inwieweit eine Beckenringverletzung als unabhängiger Risikofaktor für die Mortalität nach Trauma verantwortlich ist, konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden und ist Gegenstand dieser Forschungsarbeit. Um einen isolierten Einfluss zu untersuchen, wurden alle an der UMG Göttingen behandelten, volljährigen Patienten mit einer Beckenfraktur der Jahre 2013 – 2018 aus dem TraumaRegister DGU® extrahiert. Nach Ausschluss der an Schädel-Hirn- Trauma verstorbenen und unzureichend dokumentierten Patienten, bestand die Frakturgruppe aus 198 Patienten mit Beckenfraktur. Durch Propensity Score Matching wurde anhand der Variablen Geschlecht, Altersgruppe, ISS und NISS durch ein 1:1 nearest neighbor matching eine Kontrollgruppe gleichen Umfangs aus möglichst identischen Traumapatienten ohne Beckenfraktur gebildet. Die Gegenüberstellung der gepaarten Patienten ermöglichte einen direkten Vergleich relevanter klinischer Parameter, der Mortalität und des Outcomes. Es konnte festgestellt werden, dass Patienten nach Beckentrauma signifikant verringerte Blutdruck- und Hämoglobinwerte aufwiesen und einen erhöhten Bedarf an Bluttransfusionsvolumen zeigten. Sie verbrachten mehr Zeit auf der Intensivstation und wurden häufiger und länger mechanisch beatmet. Eine Entlassung fand seltener nach Hause, dafür signifikant häufiger in eine Rehaklinik statt. Patienten mit Beckenfraktur wiesen öfter ein mäßiges Outcome auf und verstarben mit einer Mortalität von 9% verglichen mit 4% in der Kontrollgruppe signifikant häufiger als Patienten ohne Beckenfraktur (Odds Ratio 2,6; 95% KI 1,0 – 6,3). Auch drei gängige Prognose-Scores zeigten im direkten Vergleich signifikant schlechtere Vorhersagen für Patienten mit Beckenringverletzung und wiesen auf eine höhere Sterblichkeit hin. In einer Subgruppenanalyse wurde herausgearbeitet, dass in den beobachteten Jahren nur sporadisch und ohne erkennbares Muster ein präklinischer Beckengurt angelegt wurde und die Dokumentation der gesamten Präklinik Lücken aufwies. Es fanden sich Hinweise, dass ein Beckengurt im Zeitraum dieser Studie tendenziell bei jüngeren Patienten, die häufiger bei Ankunft im Schockraum und auf der Intensivstation beatmet wurden und insgesamt schwerere Traumata erlitten, verwendet wurde. Jedoch konnte kein signifikanter Nutzen der Intervention festgestellt werden und es wurde auch kein eindeutiger Hinweis auf eine günstigere Prognose oder ein besseres Outcome beobachtet. Eine zweite Subgruppenanalyse wurde angestellt, um bei den verstorbenen Patienten mit Beckenfraktur Risikofaktoren zu evaluieren, die mit dem Versterben in Verbindung stehen. Parameter, die sich signifikant negativ auf die Prognose nach Trauma mit Beckenfraktur auswirkten, waren in dieser Population ein Alter > 65 Lebensjahren, relevante Vorerkrankungen, eine Notwendigkeit der Gabe von Katecholaminen am Unfallort, initialer Blutdruck im Schockraum von < 90 mmHg, initiale Sauerstoffsättigung im Schockraum von < 92%, initiale Hämoglobinkonzentration im Schockraum von < 8 g/dl, Notwendigkeit einer Bluttransfusion, Beatmung bei Ankunft im Schockraum und auf der Intensivstation und die generelle Schwere des Unfalls mit einem ISS/NISS > 35 und einem GCS < 9. Die gewonnenen Ergebnisse bestätigen die Beobachtungen anderer Autoren und legen nahe, dass Beckenfrakturen einen unabhängigen Einfluss auf die aus einem Trauma resultierende Mortalität haben und Patienten mit Beckenfraktur eine besonders vulnerable Gruppe darstellen. Diesem Umstand kann man nur gerecht werden, wenn den Folgen eines Beckentraumas frühzeitig Beachtung geschenkt wird, die bekannten Risikofaktoren überwacht und korrekt interpretiert werden und der Schwere des Traumas durch eine rasche Intervention Rechnung getragen wird. Des Weiteren lässt sich der Schluss ziehen, dass der Beckengurt als Intervention am Unfallort in dieser Population nicht konsequent Verwendung fand und mit der statistischen Power dieser Studie kein Effekt nachvollziehbar war. Diese Arbeit regt eine umfänglichere Überprüfung des Nutzens im Kontext der aktuellen Literatur an. Weitere Forschungsarbeit ist nötig, um die erhöhte Mortalität nach Beckentrauma zu adressieren. Ziel sollte dabei sein, geeignete Interventionen zu ermitteln und deren Nutzen im direkten Vergleich zu überprüfen, um ein effektives und konsequent anwendbares Handlungsprotokoll für die Versorgung von Patienten mit Beckenfraktur zu definieren und Mittel und Wege zu finden, die unverändert hohe Mortalität nach Trauma mit Beckenfraktur zu senken.
Schlagwörter: Beckenfrakturen; Polytrauma; Traumabedingte Mortalität; Beckenschlingen