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Humanitäres Regieren und die Flucht aus Syrien. Ethnographische Untersuchungen zum Migrations- und Grenzregime im Libanon

dc.contributor.advisorHess, Sabine Prof. Dr.
dc.contributor.authorSchmelter, Susanne
dc.date.accessioned2021-01-06T14:07:31Z
dc.date.available2021-01-06T14:07:31Z
dc.date.issued2021-01-06
dc.identifier.urihttp://hdl.handle.net/21.11130/00-1735-0000-0005-1536-7
dc.identifier.urihttp://dx.doi.org/10.53846/goediss-8238
dc.identifier.urihttp://dx.doi.org/10.53846/goediss-8238
dc.language.isodeude
dc.rights.urihttp://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/
dc.subject.ddc301de
dc.titleHumanitäres Regieren und die Flucht aus Syrien. Ethnographische Untersuchungen zum Migrations- und Grenzregime im Libanonde
dc.typecumulativeThesisde
dc.title.translatedHumanitarian Government and Displacement from Syria. Ethnographic Investigations on the Migration and Border Regime in Lebanonde
dc.contributor.refereeHess, Sabine Prof. Dr..
dc.date.examination2019-12-19
dc.description.abstractgerDiese kumulative Dissertation untersucht aktuelle Entwicklungen im Umgang mit dem Fluchtgeschehen aus Syrien und legt dabei den Fokus auf die Rolle von Humanitarismus im Migrations- und Grenzregime. Hierbei erforscht sie insbesondere zwei bisher in der Humanitarismus-Literatur wenig erkundete Felder: die Rolle nicht-westlicher Akteure im humanitären Regime und migrantische Positionen in Bezug zur „humanitären Grenze“ (Walters 2011). Aufbauend auf ausgiebigen ethnographischen Forschungen im Zeitraum von 2013 bis 2018 ist die Dissertation als Mehrebenen-Analyse angelegt. Zwischen den Rahmenteilen von Einleitung und Zusammenfassung bewegen sich die sechs überwiegend fachbegutachteten Artikel des Hauptteils von der Makroebene über die Mesoebene hin zur Mikroebene, nämlich vom regionalen Vergleich des Umgangs mit den Syrien-Flüchtlingen über die nationale Ebene der im Libanon tätigen humanitären Organisationen (mit Schwerpunkt auf islamischem bzw. Golf-finanziertem humanitärem Engagement) hin zu Lebensrealitäten von Geflüchteten und ihren Berührungspunkten mit „humanitärem Regieren“ (Fassin 2007). Die vergleichenden Analysen zur Situation syrischer Flüchtlinge in den Hauptaufnahmeländern der Region stützen sich in erster Linie auf Dokumentenanalyse und graue Literatur bis Mitte 2016. Sie beleuchten den regionalpolitischen Kontext sowie Governance-Strukturen und geben so einen Überblick zu länderspezifischen Regularien in den Aufnahmeländern Türkei, Libanon und Jordanien. Sie stellen Registrierungstrends und Einreisepolitik dar, gehen auf Unterbringungs- und Versorgungssituationen ein und diskutieren Bleibe- und Integrationsperspektiven. Der regionale Vergleich verdeutlicht, wie politische Zielsetzungen und die unterschiedlich ausgestaltete Staatlichkeit in der Türkei, in Jordanien und im Libanon die Verantwortungsübernahme für die Geflüchteten sowie das Verhältnis zu UNHCR und dem Wirken humanitärer Organisationen insgesamt prägen. Während die Türkei und Jordanien - auf je eigene Art und Weise - deutliche Regularien für UN- und nichtstaatliche Organisationen formulieren, sticht der Libanon durch seine ausgeprägte Laissez-faire-Politik gegenüber dem massiv anwachsenden humanitären Sektor hervor. Hinzu kommen das Verbot der Errichtung offizieller Flüchtlingslager und die Informalität der Flüchtlingsaufnahme, was die Aktivierung der vielfältigen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verbindungen zwischen syrischer und libanesischer Gesellschaft begünstigt. Ein ethnographisches Mapping zu den unterschiedlich positionierten humanitären Akteuren im Libanon - basierend auf Interviews mit Vertretern von UN-Institutionen, internationalen NGOs, lokalen säkularen NGOs, islamischen Verbänden, syrischen Aktivisten und Initiativen im Jahr 2014 - verdeutlicht, dass die UNHCR-geleiteten Koordinationsbemühungen bei weitem nicht alle Akteure des humanitären Feldes einbeziehen. So beklagten lokale Organisationen und Aktivisten etwa die mangelnde Einbindung und Anerkennung ihrer Expertise und auch islamisch geprägte Verbände bemängelten unzureichende Koordination, hatten durch Gelder aus dem Golf jedoch genügend Mittel, um unabhängig von UNHCR Projekte durchzuführen und eigene Koordinationsstrukturen aufzubauen. Die vertiefende Forschung zu Ansätzen und Organisationsstrukturen von islamischem bzw. Golf-finanziertem humanitärem Engagement nimmt insbesondere die Dachverbände URDA und I’tilaf in den Blick. Die Analyse des empirischen Materials, welches 20 semi-strukturierte Interviews mit Vertretern der Dachverbände und ihrer Mitgliedsorganisationen, Feldbesuche im Norden des Libanon und der Bekaa-Ebene sowie Dokumentenanalysen in den Jahren 2014 und 2016 umfasst, lässt Ambivalenzen des überwiegend Golf-finanzierten humanitären Engagements hervortreten. Beispielsweise brachten Interviewpartner wiederholt der Wunsch nach besserer Koordination mit dem UN-geführten System zum Ausdruck, äußerten gleichzeitig aber auch deutliche Kritik an diesem System. Demgegenüber betonten sie die Vorteile der eigenen Vorgehensweisen - wie etwa geringere Verwaltungskosten, schnelleres und unbürokratischeres Handeln, Nähe zu den Lebenswirklichkeiten der Betroffenen sowie die Anerkennung und Einbeziehung religiöser und sozialer Werte in die Arbeit vor Ort. Ein wenig ausgeprägtes Berichtwesen, mangelnde Transparenz und die Prävalenz von ad hoc-Leistungen behindern jedoch auch langfristige Planbarkeit und Kooperation. Die Forschung beleuchtet Chancen und operationelle wie auch diskursive Hindernisse für multilaterales Handeln in Libanons humanitärem Feld und reflektiert sie im Kontext globaler Trends und Debatten zur Zusammenarbeit von „emerging donors“ und dem UN-System. Fragen nach Möglichkeiten die Region zu verlassen, schienen im Libanon insbesondere 2014 und 2015 omnipräsent. Die Analyse migrantischer Perspektiven auf die humanitäre Grenze gründet somit auf ausgedehnten Phasen (teilnehmender) Beobachtung und zahlreichen Diskussionen und Gesprächen (bis 2018). Damit werden im Nexus von migration struggles (Casas-Cortes et al. 2015) und humanitärem Regieren Wirkungsmomente der humanitären Grenze untersucht: Etwa wenn beim Engagement syrischer Aktivisten in Libanons humanitärem Feld die anti-politics (Ferguson 1994) des NGO-Bereichs und die Hierarchien der politics of life (mit ihren Unterscheidungen von „lives to be risked and lives to saved“) (Fassin 2007) hervortreten; wenn bei sogenannten humanitären Aufnahmeprogrammen Vulnerabilitätskriterien die Ausreisemöglichkeiten bestimmen und somit zu einer Dichotomie von compassion versus rights (Fassin 2010/Ticktin 2011) beitragen; wenn irreguläre Migration Richtung Europa in Anlehnung an das Konzept der non-movements (Bayat 2010) zwar als eine Forderung nach Menschenrechten verstanden werden kann, dabei jedoch auch auf dem Weg oder im Zielland humanitären Dispositiven ausgesetzt ist; und wenn die Fragmentierung sozialer Strukturen (auch) bei den im Libanon Gebliebenen soziale und politische Narrative untergräbt, und die prekären Lebensbedingungen Abhängigkeiten von humanitären Leistungen verschärfen. So zeigt die bei den migration struggles ansetzende Analyse, dass die Willkür humanitären Regierens nicht auf Institutionen oder Lager beschränkt ist, sondern Alltagssituationen des sozialen Lebens durchdringt und zur Entstehung von Zonen beiträgt, in denen Menschenrechte keine Selbstverständlichkeit sind, sondern Gegenstand täglicher Auseinandersetzungen.de
dc.description.abstractengThis cumulative dissertation examines current developments in dealing with displacement from Syria and focuses on the role of humanitarianism in the migration and border regime. In doing so, it researches in particular two fields that have so far been little explored in humanitarianism literature: the role of non-Western actors in the humanitarian regime and migrant positions in relation to the "humanitarian border" (Walters 2011). Building on extensive ethnographic research between 2013 and 2018, the dissertation is designed as a multi-level analysis. Framed by an introduction and a summary, the main part consists of six, mainly peer-reviewed articles, which move from the macro via the meso to the micro-level. Namely, from the regional comparison of policies towards the Syrian displacement via the national level of humanitarian organisations in Lebanon, with a focus on Islamic or Gulf-financed humanitarian engagement, to the lived realities of refugees and their contact points with"humanitarian government" (Fassin 2007). The comparative analysis of the situation of Syrian refugees in the region's main host countries builds primarily on document analysis and grey literature up to mid-2016. By presenting registration trends and entry policies, looking at shelter and service provision and discussing prospects for integration, the comparative analysis provides an overview of country-specific regulations in dealing with the displacement. The regional comparison of policies and governance structures moreover shows how political objectives and the different forms of statehood in Turkey, Jordan and Lebanon shape the assumption of responsibility for the refugees and the relationship with UNHCR and humanitarian organisations as a whole. While Turkey and Jordan - each in their specific way - formulate clear regulations for UN and non-governmental organisations, Lebanon stands out due to its laissez-faire policy towards the massively growing humanitarian sector. In addition to that, the prohibition against establishing new, official refugee camps and the informality of the reception policies, have favoured the activation of the different social, economic and political connections between the Syrian and the Lebanese society. An ethnographic mapping of the differently positioned humanitarian actors in Lebanon - based on interviews with representatives of UN institutions, international NGOs, local secular NGOs, Islamic associations, Syrian activists and initiatives in 2014 - shows that the UNHCR-led coordination efforts involve by far not all actors in the humanitarian sector. Local organisations and activists, for example, complained about the lack of involvement and recognition of their expertise. Associations with an Islamic background also criticised inadequate coordination. However, due to funds from the Gulf they were able to carry out projects independently of UNHCR and to set up their own coordination structures. In-depth research on approaches and organisational structures of Islamic and Gulf-financed humanitarian engagement focuses on the umbrella organisations URDA and I'tilaf. The analysis of the empirical material, which includes 20 semi-structured interviews with representatives of the umbrella organisations and their member organisations, field visits in the north of Lebanon and the Bekaa Valley in 2014 and 2016 as well as document analyses, shows ambivalences of the predominantly Gulf-funded humanitarian engagement. For example, interview partners have repeatedly expressed the desire for better coordination with the UN-led system and at the same time emphasised the advantages of their own approaches - such as lower administrative costs, faster and less bureaucratic action, proximity to the realities of those affected as well as the recognition and incorporation of religious and social values into local work. However, a poorly developed reporting system, a lack of transparency and the prevalence of ad hoc services also hinder long-term planning and cooperation. The research highlights opportunities and obstacles to multilateral action in Lebanon's humanitarian field, both on an operational and a discursive level and reflects them in the context of global trends and debates on the cooperation between emerging donors and the UN system. Notably in 2014 and 2015, questions about opportunities to leave the region seemed omnipresent among Syrians in Lebanon. Based on extensive phases of (participatory) observation and numerous discussions and conversations (until 2018), the humanitarian border is traced and analysed as it manifests in the nexus of migration struggles (Casas-Cortes et al. 2015) and humanitarian government. For example, when Syrian activists encounter in Lebanon's humanitarian field the anti-politics (Ferguson 1994) of the NGO sector and the politics of life (with its hierarchies between “lives to be risked and lives to saved") (Fassin 2007); when vulnerability criteria of so-called humanitarian admission programmes define travel opportunities and contribute to a dichotomy of compassion versus rights (Fassin 2010 / Ticktin 2011); when irregular migration towards Europe, even though it can be understood as a demand for human rights, is still exposed to the humanitarian dispositive when travelling or arriving to Europe; and when the fragmentation of social bonds undermines social and political narratives (also) among those who have remained in Lebanon, while the precarious living conditions exacerbate dependencies on humanitarian services. The perspective on migration struggles shows how the arbitrariness of humanitarian governance is not restricted to institutions or camps, but penetrates the everyday of social life and contributes to the creation of zones where human rights are not a given, but a matter of daily struggles.de
dc.contributor.coRefereeBank, André, Dr.
dc.contributor.thirdRefereeBendix, Regina Prof. Dr.
dc.subject.gerHumanitäres Regierende
dc.subject.gerSyriende
dc.subject.gerLibanonde
dc.subject.gerMigrations- und Grenzregimede
dc.subject.gerEthnographische Forschungde
dc.subject.gerHumanitäres Engagement der Golfstaatende
dc.subject.engHumanitarian governmentde
dc.subject.engSyriade
dc.subject.engLebanonde
dc.subject.engMigration and border regimede
dc.subject.engEthnographic researchde
dc.subject.engPolicy analysisde
dc.subject.engGulf donorsde
dc.subject.engIslamic charitiesde
dc.subject.engHumanitarian borderde
dc.subject.engMigration strugglesde
dc.subject.engActivismde
dc.identifier.urnurn:nbn:de:gbv:7-21.11130/00-1735-0000-0005-1536-7-8
dc.affiliation.institutePhilosophische Fakultätde
dc.subject.gokfullVolkskunde (PPN621256412)de
dc.identifier.ppn1744143080


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