by Feride Nur Haskaraca Kizilay
English
It has been traditionally assumed that theory of mind (ToM) -our ability to ascribe mental states to others and ourselves- emerges around age four, as indicated in performance on standard explicit false belief (FB) tasks (Wellman et al., 2001). More recent studies assessing FB understanding with implicit measures suggested that some form of ToM may be present even in infancy (Scott & Baillargeon, 2017). However, many of these studies now face replicability issues and thus cannot serve as robust evidence for implicit ToM (e.g., Dörrenberg et al., 2018). One type of implicit task, namely altercentric bias, still constitutes a promising alternative to tap implicit perspective-taking abilities. Altercentric bias is an indicator of spontaneous and implicit mentalizing of others' (irrelevant) perspectives: people get slower and more error-prone in making first-order judgments about the world if another agent in the scene holds a diverging perspective, even if this perspective is irrelevant or detrimental to the task (Samson et al., 2010). This bias has been studied in different task formats so far (e.g., dot-perspective task by Samson et al., 2010; object-detection task by Kovács et al., 2010); however, the existing altercentric bias measures have been shown subject to reliability and validity issues (e.g., Santiesteban et al., 2014).
The current work takes a new approach to the altercentric bias and aims to develop and adapt reliable altercentric bias measures through the mediums of existing egocentric bias measures. Egocentric interferences refer to the interferences from our own perspectives on our judgments about others’ perspectives. Egocentric bias measures easily lend themselves to analogous tasks that can be used to reveal altercentric biases. The current study tests three different tasks that could provide potential new ways to tap altercentric interferences, with the ultimate aim of using this bias as a window into implicit ToM. All studies constituting this dissertation have been conducted with adult participants via unmoderated online sessions (except for the two baseline studies of Project 1, which were conducted in live settings). The first project of the current thesis capitalizes on the so-called Sandbox task (e.g., Sommerville et al., 2013) as a means to tap altercentric biases. This measure has been originally developed to tap egocentric biases. This project also aimed to replicate the earlier Sandbox studies, which revealed robust egocentric interferences across the lifespan. Across five different Sandbox studies, we found no evidence for egocentric and altercentric biases. The second project focuses on the so-called Director Task (e.g., Samuel et al., 2019) as a potential new way of tapping altercentric biases. Like the Sandbox task, this measure has predominantly targeted egocentric interferences in social cognition or egocentric heuristics in communication. Therefore, this project also aimed to replicate the earlier studies in terms of the egocentric interferences revealed. Across two studies, this task provided evidence for robust egocentric interference effects. The results, however, revealed inconsistent effects in terms of the altercentric version, raising critical issues regarding the validity of this task as a measure of altercentric biases. Finally, in Project 3, altercentric biases have been tested in typical level-I and level-II visual perspective-taking tasks (e.g., Flavell et al., 1981). In two studies, altercentric biases were revealed in both level-I and level-II visual perspective-taking tasks. However, the patterns revealed by the different measures drew a complicated picture and prevented us from arriving at a conclusion about the presence and nature of these biases.
The findings of this dissertation contribute to the methodological debates in the altercentric bias literature and the theoretical debates in the field of implicit ToM. The current projects showed that altercentric biases might not be revealed at all or may be contingent on alternative explanations in some task formats. The one task that remained to be a somewhat promising measure of altercentric interferences (as revealed by Project 3) showed that these biases were likely to occur due to implicit mentalizing, and they hinted at unified ToM abilities. However, these claims stayed at the level of speculation as none of the tasks used in the current thesis was free from methodological concerns.
Keywords: Theory of Mind; Implicit Theory of Mind; Altercentric Bias; Egocentric Bias; Perspective-taking
German
Traditionell wurde angenommen, dass sich Theory of Mind (ToM) - unsere Fähigkeit, anderen und uns selbst mentale Zustände zuzuschreiben - im Alter von etwa vier Jahren herausbildet, wie das Lösen von expliziten Standardaufgaben zufalschen Überzeugungen (englisch: False Belief; FB) zeigt (Wellman et al., 2001). Neuere Studien, in denen das FB-Verständnis mit impliziten Maßen untersucht wurde, deuten darauf hin, dass eine Form von ToM bereits im Säuglingsalter vorhanden sein könnte (Scott & Baillargeon, 2017). Viele dieser Studien haben jedoch Probleme mit der Replizierbarkeit und können daher nicht als robuster Beweis für implizites ToM dienen (z. B. Dörrenberg et al., 2018). Eine Art von impliziten Aufgaben, nämlich die alterzentrische Verzerrung, stellt nach wie vor eine vielversprechende Alternative dar, um implizite Fähigkeiten zur Perspektivenübernahme zu erfassen. Die alterzentrische Verzerrung ist ein Indikator für das spontane und implizite Übernehmen von (irrelevanten) Perspektiven anderer: Menschen werden langsamer und fehleranfälliger bei Urteilen über die Welt, wenn ein anderer Akteur in der Szene eine abweichende Perspektive einnimmt, selbst wenn diese Perspektive für die Aufgabe irrelevant oder schädlich ist (Samson et al., 2010). Diese Verzerrungen wurde bisher in verschiedenen Aufgabenformaten untersucht (z.B. dot-perspective task von Samson et al., 2010; object-detection task von Kovács et al., 2010). Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Messungen der alterzentrischen Verzerrungen Probleme mit der Replizierbarkeit und Validität haben (z.B. Santiesteban et al., 2014).
Die vorliegende Arbeit verfolgt einen neuen Ansatz für die alterzentrische Verzerrung und zielt darauf ab, verlässliche Maße für die alterzentrische Verzerrung mit Hilfe bestehender Maße für die egozentrische Verzerrung zu entwickeln und anzupassen. Egozentrische Interferenzen beziehen sich auf die Interferenzen unserer eigenen Perspektiven auf unsere Urteile durch die Perspektiven anderer. Egozentrische Verzerrungen lassen sich leicht mit analogen Aufgaben messen, die zur Aufdeckung alterzentrischer Verzerrungen verwendet werden können. In der aktuellen Studie werden drei verschiedene Aufgaben getestet, die potenziell neue Möglichkeiten zur Erfassung alterzentrischer Verzerrungen bieten könnten, mit dem Ziel, diese Verzerrungen als Fenster zum impliziten ToM zu nutzen. Alle Studien im Rahmen dieser Dissertation wurden mit erwachsenen Teilnehmern in unmoderierten Online-Sitzungen durchgeführt (mit Ausnahme der beiden Ausgangsstudien von Projekt 1, die in einer Live-Situation durchgeführt wurden). Das erste Projekt der vorliegenden Arbeit nutzt die so genannte Sandbox-Aufgabe als Mittel (z.B. Sommerville et al., 2013), um alterzentrische Verzerrungen zu erfassen. Diese Messung wurde ursprünglich entwickelt, um egozentrische Verzerrungen zu erfassen. Dieses Projekt zielte auch darauf ab, die früheren Sandbox-Studien zu replizieren, die robuste egozentrische Interferenzen über die gesamte Lebensspanne hinweg aufzeigten. In fünf verschiedenen Sandbox-Studien fanden wir keine Hinweise auf egozentrische und alterzentrische Verzerrungen. Das zweite Projekt konzentriert sich auf die so genannte Direktor-Aufgabe (z.B. Samuel et al., 2019) als potenzielle neue Methode zur Erfassung alterzentrischer Verzerrungen. Wie die Sandbox-Aufgabe zielt auch diese Messung in erster Linie auf egozentrische Interferenzen in der sozialen Kognition oder egozentrische Heuristiken in der Kommunikation ab. Daher zielte dieses Projekt auch darauf ab, die früheren Studien in Bezug auf die aufgedeckten egozentrischen Interferenzen zu replizieren. In zwei Studien lieferte diese Aufgabe Beweise für robuste egozentrische Interferenzeffekte. Die Ergebnisse zeigten jedoch inkonsistente Effekte in Bezug auf die alterzentrische Version, was kritische Fragen hinsichtlich der Validität dieser Aufgabe als Maß für alterzentrische Verzerrungen aufwirft. In Projekt 3 wurden schließlich alterzentrische Verzerrungen in visuellen Aufgaben zur Perspektivenübernahme auf Ebene I und Ebene II getestet (z.B. Flavell et al., 1981). In zwei Studien wurden alterzentrische Verzerrungen sowohl bei visuellen Aufgaben der Ebene I als auch der Ebene II festgestellt. Die Muster, die sich aus den verschiedenen Messungen ergaben, zeichneten jedoch ein kompliziertes Bild und hinderten uns daran, eine Schlussfolgerung über das Vorhandensein und die Art dieser Verzerrungen zu ziehen.
Die Ergebnisse dieser Dissertation tragen zu den methodologischen Debatten in der Literatur über alterzentrische Verzerrungen und zu den theoretischen Debatten im Bereich des impliziten ToM bei. Die aktuellen Projekte haben gezeigt, dass alterzentrische Verzerrungen bei einigen Aufgabenformaten möglicherweise überhaupt nicht aufgedeckt werden oder von alternativen Erklärungen abhängig sind. Die eine Aufgabe, die sich als einigermaßen vielversprechendes Maß für alterzentrische Störungen erwies (wie von Projekt 3 aufgedeckt), zeigte, dass diese Verzerrungen wahrscheinlich auf die implizite Perspektivübernahme zurückzuführen ist, und sie deutete auf einheitliche ToM-Fähigkeiten hin. Diese Behauptungen blieben jedoch spekulativ, da keine der in der vorliegenden Arbeit verwendeten Aufgaben frei von methodischen Einschränkungen war.