Differenzierungen, Normalität und Positionierungen. Analysen studentischer Äußerungen über Inklusion und Schüler*innen.
Differentiations, Normality and Positionings. Analyses of student utterances about inclusion and pupils.
Doctoral thesis
Date of Examination:2023-03-16
Date of issue:2023-08-04
Advisor:Prof. Dr. Kerstin Rabenstein
Referee:Prof. Dr. Kerstin Rabenstein
Referee:Prof. Dr. Anja Tervooren
Referee:Dr. Astrid Biele Mefebue
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Format:PDF
Abstract
English
In recent years, 'inclusion' has become an important topic in school and classroom research as well as in teacher education and student research. While quantitative-empirical research asks about attitudes and similar pedagogical-psychological constructs of (prospective) teachers, qualitative-reconstructive research analyses 'perspectives' of teachers and student teachers on the basis of different interview data - adjusted theoretically-methodologically in different ways. Summarising the quantitative research, it can be assumed that attitudes tend to be positive; in the qualitative-reconstructive research, different orientations as well as patterns of orientation and interpretation were shown, which are often plausibilised on the basis of different case analyses. For this research paradigm, it is noticeable for previous studies in the context of student research on inclusion that student utterances are only little contextualised when, for example, individual courses are researched. In addition, different normative assumptions, such as the significance of (practical) experiences or assumed differences between teacher training courses, can be identified, which are not analysed in their discursive production process. Based on these desiderata, the following questions are pursued in this cumulative dissertation by means of three sub-studies: - Sub-study 1: The first sub-study asks how student utterances about inclusion and students produce which ideas of normality. For this purpose, it will also be analysed how pupils are differentiated and how, in this interplay of differentiations and the production of normality, positions on inclusion and an expected pupil are generated and legitimized. - Sub-study 2: In the second sub-study, student utterances about pupils after an 'inclusive' internship are used to inquire into differentiation and, above all, categorisation processes and their attributions to certain pupils. - Sub-study 3: Based on student utterances in group discussions on inclusion, the third sub-study asks how 'school inclusion' is produced as an object. Furthermore, it will be analysed how positions on these specific constructions are taken, negotiated and legitimised, and which spaces of what can be said are opened or closed. The analytical approach - a difference- and normalism-theoretical heuristic - was published in a fourth contribution and plausibilised by means of an exemplary analysis of a teacher interview. The dissertation and the three sub-studies it contains are to be located in discourse-analytical professionalisation research, in which teacher education is understood as a process of involvement in different, partly conflicting orders of knowledge. In the analyses of my sub-studies, a poststructuralist-practical theoretical perspective was adopted on the process of producing differentiations, normality and positionings in practical implementation. Theoretically and methodologically, the work follows four approaches: Firstly, the student utterances about pupils are made analytically accessible with the help of a differentiation and normalism theory perspective. It is assumed that differentiation can (not) be actualised and produced as well as (ir)relevant in the temporal course of speaking; both the use of differentiation and its production is contingent. Secondly, in processes of differentiation, constructions of normality and expectations of 'normal' pupils are invoked; at the same time, notions of normality produce differentiations. Thirdly, positioning is carried out and produced in student utterances. Fourthly, linguistic utterances, which were collected in the sub-studies on the basis of interviews and group discussions as conversational data and thus methodically generated, are understood as a discursive practice in which meaning is produced and which enables the analysis of the production of discursivity. The results show a struggle of student teachers with the demands of inclusive school reform between agreement and disagreement. This struggle plays together with different constructions of difference and normality of pupils as well as the question of non-schoolability/schoolability and the negotiation of responsibilities. Furthermore, traditional constructions of the Gymnasium, which seem to be difficult to change, have an impact on these ideas of student teachers. Constructions of pupils prove to be fixed with regard to their imaginability of learning ability, but also contingent and ambiguous in their (categorial) attribution processes.
Keywords: Inclusion; teacher education; student research; discourse analysis; difference; normality; positioning
German
‚Inklusion‘ avancierte in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Thema sowohl der Schul- und Unterrichts- als auch der Lehrer*innenbildungs- und Studierendenforschung. Während in der quantitativ-empirischen Forschung nach Einstellungen und ähnlichen pädagogisch-psychologischen Konstrukten von (angehenden) Lehrkräften gefragt wird, werden in der qualitativ-rekonstruktiven Forschung anhand unterschiedlicher Gesprächsdaten – theoretisch-methodologisch unterschiedlich justiert – ‚Perspektiven‘ von Lehrkräften und Lehramtsstudierenden analysiert. Die quantitative Forschung zusammenfassend kann von in der Tendenz positiven Einstellungen ausgegangen werden; in der qualitativ-rekonstruktiven Forschung wurden unterschiedliche Orientierungen sowie Orientierungs- und Deutungsmuster gezeigt, die oftmals anhand unterschiedlicher Fallanalysen plausibilisiert werden. Für dieses Forschungsparadigma fällt für bisherige Studien im Kontext der Studierendenforschung zu Inklusion auf, dass studentische Äußerungen nur wenig kontextualisiert werden, wenn z. B. einzelne Lehrveranstaltungen beforscht werden. Zudem lassen sich unterschiedliche normative Annahmen, wie z. B. die Bedeutung von (praktischen) Erfahrungen oder angenommener Unterschiede zwischen Lehramtsstudiengängen, feststellen, die nicht in ihrem diskursiven Herstellungsprozess analysiert werden. Ausgehend von diesen Desideraten wird in der vorliegenden kumulativen Dissertation anhand dreier Teilstudien folgenden Fragen nachgegangen: - Teilstudie 1: In der ersten Teilstudie wird danach gefragt, wie in studentischen Äußerungen über Inklusion und Schüler*innen welche Normalitätsvorstellungen hervorgebracht werden. Dafür wird auch analysiert, wie Schüler*innen unterschieden werden und wie in diesem Zusammenspiel von Differenzierungen und der Herstellung von Normalität Positionierungen zu Inklusion und einer erwarteten Schüler*innenschaft erzeugt und legitimiert werden. - Teilstudie 2: In der zweiten Teilstudien werden anhand studentischer Äußerungen über Schüler*innen nach einem ‚inklusiven‘ Praktikum nach Differenzierungs- und vor allem Kategorisierungsprozessen und deren Zuschreibungen zu bestimmten Schüler*innen gefragt. - Teilstudie 3: Auf Grundlage studentischer Äußerungen in Gruppendiskussionen zu Inklusion wird in der dritten Teilstudie danach gefragt, wie ‚schulische Inklusion‘ als Gegenstand hervorgebracht wird. Weiterhin wird analysiert, wie Positionierungen zu diesen spezifischen Konstruktionen eingenommen und ausgehandelt sowie legitimiert werden und welche Räume des Sagbaren geöffnet oder geschlossen werden. Der analytische Zugang – eine differenz- und normalismustheoretische Heuristik – wurde im Rahmen eines vierten Beitrags veröffentlicht und anhand einer exemplarischen Analyse eines Lehrkräfte-Interviews plausibilisiert. Die Dissertation und die drei enthaltenen Teilstudien sind in der diskursanalytischen Professionalisierungsforschung zu verorten, in der Lehrer*innenbildung als Involvierungsprozess in unterschiedliche, z. T. widerstreitende Wissensordnungen verstanden wird. In den Analysen meiner Teilstudien wurde eine poststrukturalistisch-praxistheoretische Perspektive auf die prozessierende Hervorbringung von Differenzierungen, Normalität und Positionierungen im praktischen Vollzug eingenommen. Theoretisch-methodologisch folgt die Arbeit dabei vier Zugängen: Erstens werden die studentischen Äußerungen über Schüler*innen mithilfe einer differenzierungs- und normalismustheoretischen Perspektive analytisch zugänglich. Es wird davon ausgegangen, dass Differenzierung (nicht) aktualisiert und hervorgebracht sowie im zeitlichen Verlauf des Sprechens (ir-)relevant werden können; sowohl der Gebrauch von Differenzierungen als auch ihre Herstellung ist kontingent. Zweitens wird in Differenzierungsprozessen auf Konstruktionen von Normalität und Erwartungen an ‚normale‘ Schüler*innen rekurriert; gleichzeitig bringen Vorstellungen von Normalität Differenzierungen hervor. Drittens werden in studentischen Äußerungen Positionierungen vollzogen und hervorgebracht. Viertens werden sprachliche Äußerungen, die in den Teilstudien anhand von Interviews und Gruppendiskussionen als Gesprächsdaten erhoben und damit methodisch-erzeugt wurden, als diskursive Praxis gefasst, in der Sinn hergestellt wird, und die die Analyse der Herstellung von Diskursivität ermöglicht. In den Ergebnissen zeigt sich ein Ringen der Lehramtsstudierenden mit den Ansprüchen der inklusiven Schulreform zwischen Zustimmung und Widersprechen. Dieses Ringen spielt mit unterschiedlichen Differenz- und Normalitätskonstruktionen von Schüler*innen zusammen sowie der Frage von Nicht-/Beschulbarkeit und Aushandlungen von Zuständigkeiten. Des Weiteren wirken tradierte, scheinbar nur schwer veränderbare Konstruktionen des Gymnasiums auf diese Vorstellungen der Lehramtsstudierenden. Konstruktionen von Schüler*innen erweisen sich zum einen als fest hinsichtlich ihrer Vorstellbarkeit von Lernfähigkeit, zum anderen jedoch auch in ihren (kategorialen) Zuschreibungsprozessen als kontingent und uneindeutig.
Schlagwörter: Inklusion; Lehrer*innenbildung; Studierendenforschung; Diskursanalyse; Differenz; Normalität; Positionierungen