Datenbankanalyse zur Myasthenia gravis - Korrelation der Lebensqualität zum klinischen Verlauf
Database analysis relating to patients with myasthenia gravis - correlation between quality of life and clinical course
von Hannah Marlene Wilcke
Datum der mündl. Prüfung:2023-12-12
Erschienen:2023-12-04
Betreuer:PD Dr. Jana Zschüntzsch
Gutachter:PD Dr. Jana Zschüntzsch
Gutachter:Prof. Dr. David Liebetanz
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Name:Datenbankanalyse zur Myasthenia gravis - Kor...pdf
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Format:PDF
Zusammenfassung
Englisch
As a chronic disease, myasthenia gravis typically results in abnormal muscular fatigue. It accompanies patients for years or even decades and can severely restrict their quality of life and activities of daily living. At the same time, knowledge of possible influencing factors can significantly improve patients’ lives. At a younger age, twice as many women suffer from myasthenia gravis as men, but this is reversed in old age. In order to provide patients with the best possible treatment, knowledge of gender-specific differences in the course of the disease is essential for diagnosis and therapy. This study therefore focussed both on the detection of gender-specific differences in the course of the disease and on identifying factors, which might influence the quality of life and activities of daily living. As the myasthenic crisis is a life-threatening complication of myasthenia gravis, risk factors for its occurrence had also to be identified. In order to answer these questions, a retrospective database analysis of treatment records from around 2,370 presentations of 165 patients with clinically, serologically and/or electrophysiologically confirmed myasthenia gravis was carried out over an observation period of up to 47 years. In addition, the patients' quality of life was prospectively assessed using the disease-specific 15-item Myasthenia Gravis Quality Of Life Scale and the activities of daily living using the Myasthenia Gravis Activities Of Daily Living Scale. The descriptive data analysis was followed by statistical analyses using univariate and multivariate linear mixed models and Cox regression analyses. The gender distribution of the cohort was relatively balanced, comprising 85 men and 80 women. Women were significantly more impaired in their disease-specific quality of life and disease-specific activities of daily living than men. The degree of severity was also higher in women. In addition, the time from the first manifestation to the first diagnosis was significantly longer for women. They also took glucocorticoids less frequently, but were treated more often with intravenous immunoglobulins. On average, the patients in the cohort analysed had shown a moderate restriction of disease-specific quality of life. A high BMI and a high degree of severity, measured using the Quantitative Myasthenia Gravis Score, were identified as negative influencing factors. The BMI level and disease severity also correlated significantly positively with the extent of restriction of activities of daily living. The risk of a myasthenic crisis increased significantly with patients’ age and progressing disease severity as well as postoperatively after a thymectomy. The observed differences between female and male in the course of the disease emphasize the importance of gender-specific medicine for the individual treatment of patients. The impaired quality of life of myasthenia gravis patients and the close correlation with disease severity also reinforce the importance of developing new therapeutic approaches in order to improve life with this chronic disease. The significant negative influence of a high BMI on disease-specific quality of life and on activities of daily living should be given greater consideration both by practitioners and patients. In particular, this should be taken into account when choosing drug therapy, as glucocorticoids can lead to undesirable weight gain. In addition, sufficient physical activity and a healthy diet to improve quality of life and activities of daily living should be prioritised. As patients after thymectomy and with increasing age have a high risk of a myasthenic crisis, these patients should be monitored particularly closely - e.g. using the Quantitative Myasthenia Gravis Score - to prevent clinical deterioration.
Keywords: activities of daily living; gender specific differences; quality of life; myasthenic crisis; myasthenia gravis
Deutsch
Als chronische Erkrankung führt die Myasthenia gravis typischerweise zu einer abnormen muskulären Ermüdbarkeit. Sie begleitet die Patienten über Jahre bis hin zu Jahrzehnten und kann die Lebensqualität und die Aktivitäten des täglichen Lebens stark einschränken. Das Wissen über mögliche Einflussfaktoren kann diese gleichzeitig deutlich verbessern. In jüngeren Jahren erkranken doppelt so viele Frauen an einer Myasthenia gravis wie Männer, im höheren Lebensalter kehrt sich dies um. Um die Erkrankten bestmöglich zu behandeln, sind Erkenntnisse über geschlechtsspezifische Differenzen im Krankheitsverlauf für die Diagnostik und Therapie essentiell. Im Fokus der vorliegenden Arbeit lagen daher einerseits die Detektion geschlechtsspezifischer Unterschiede im Krankheitsverlauf und andererseits die Identifikation möglicher Einflussfaktoren auf die Lebensqualität bzw. auf die Aktivitäten des täglichen Lebens. Da es sich bei der myasthenen Krise um eine lebensbedrohliche Komplikation der Myasthenia gravis handelt, sollten zudem Risikofaktoren für deren Auftreten identifiziert werden. Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde eine retrospektive Datenbankanalyse von Behandlungsakten aus circa 2370 Vorstellungen von 165 Patienten mit klinisch, serologisch und/oder elektrophysiologisch gesicherter Myasthenia gravis über einen Beobachtungszeitraum von bis zu 47 Jahren durchgeführt. Zusätzlich wurde die Lebensqualität der Patienten mittels des krankheitsspezifischen 15-item Myasthenia Gravis Quality Of Life Scale und die Aktivitäten des täglichen Lebens mittels des Myasthenia Gravis Activities Of Daily Living Scale prospektiv ermittelt. Im Anschluss an die deskriptive Datenauswertung erfolgte die statistische Untersuchung mit uni- und multivariaten linearen gemischten Modellen und Cox-Regressionsanalysen. Die Geschlechterverteilung der Kohorte war mit 85 Männern und 80 Frauen relativ ausgeglichen. Frauen waren in ihrer krankheitsspezifischen Lebensqualität und in den krankheitsspezifischen Aktivitäten des täglichen Lebens signifikant stärker beeinträchtigt als Männer. Auch der Schweregrad fiel bei den Frauen höher aus. Darüber hinaus dauerte die Zeit von der Erstmanifestation bis zur Erstdiagnose bei den Frauen signifikant länger. Außerdem nahmen sie seltener Glukokortikoide ein, wurden dafür aber häufiger mit intravenösen Immunglobulinen behandelt. Die Patienten der untersuchten Kohorte wiesen durchschnittlich eine mittelgradige Einschränkung der krankheitsspezifischen Lebensqualität auf. Als negative Einflussfaktoren hierauf konnten ein hoher BMI und ein hoher Schweregrad, gemessen mit dem Quantitativen-Myasthenia-Gravis-Score, identifiziert werden. Die Höhe des BMI und der Krankheitsschwere korrelierten zudem signifikant positiv mit dem Ausmaß der Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens. Das Risiko für eine myasthene Krise erhöhte sich signifikant mit steigendem Patientenalter und zunehmender Krankheitsschwere sowie postoperativ nach Durchführung einer Thymektomie. Die beobachteten Unterschiede im Krankheitsverlauf zwischen Männern und Frauen verdeutlichen die Wichtigkeit einer geschlechtsspezifischen Medizin für eine individuelle Behandlung der Patienten. Die beeinträchtigte Lebensqualität der Myasthenia-gravis-Patienten und die enge Korrelation mit der Krankheitsschwere verdeutlichen zudem die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Therapieansätze, um das Leben mit dieser chronischen Erkrankung zu verbessern. Der signifikant negative Einfluss eines hohen BMI auf die krankheitsspezifische Lebensqualität und auf die Aktivitäten des täglichen Lebens sollte durch die Behandler und Patienten vermehrt Beachtung finden. Insbesondere bei der Wahl der medikamentösen Therapie sollte dies berücksichtigt werden, da Glukokortikoide zu einer ungewünschten Gewichtszunahme führen können. Außerdem sollten eine ausreichende körperliche Aktivität und eine gesunde Ernährung zur Verbesserung der Lebensqualität und der Aktivitäten des täglichen Lebens in den Fokus gerückt werden. Da Patienten nach Thymektomie und mit steigendem Alter ein erhöhtes Risiko für eine myasthene Krise haben, sollten diese Patienten besonders engmaschig – z. B. mithilfe des Quantitativen-Myasthenia-Gravis-Score – auf eine klinische Verschlechterung hin untersucht werden.
Schlagwörter: Aktivitäten des täglichen Lebens; Geschlechtsspezifische Unterschiede; Lebensqualität; Myasthene Krise; Myasthenia gravis