Die Untersuchung von Aufmerksamkeitsprozessen unter kognitiver Belastung: Ein kombiniertes Verfahren zur Erfassung sexuellen Interesses
Assessing attentional Processes unter cognitive load: A combined approach to measuring sexual interests
von Jakob von Herder
Datum der mündl. Prüfung:2019-07-23
Erschienen:2019-01-23
Betreuer:Prof. Dr. Jürgen L. Müller
Gutachter:Prof. Dr. Andrea Antal
Gutachter:Prof. Dr. Margarete Schön
Dateien
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Format:PDF
Zusammenfassung
Englisch
The assessment of (deviant) sexual interests is used to aid diagnostic and therapeutic efforts, especially in forensic contexts. Established methods of determining those interests such as penile plethysmography have been called into question regarding their validity and ethical justifiability. New approaches should be less intrusive and less prone to faking. To elucidate underlying sexual interests we measured attentional bias towards sexually relevant stimuli taking into consideration automatic and controlled attentional processes. We developed a combined approach of eye tracking (first fixations, relative fixation time) and behavioural data (reaction times, error rates) to test healthy homo- (n = 16) and heterosexual (n = 34) men. Participants solved a mental rotation task while being shown distractor stimuli displaying nude images from different categories (men, women, prepubescent boys and girls). We theorized that mental rotation performance would be impaired most when the distractor category matched the individual´s sexual preference and that eye tracking data would confirm a preferential allocation of attention to such stimuli. Our results showed that heterosexual males performed more poorly in trials with adult distractors. We interpret this finding as a confounding attentional bias towards potentially threatening male rivals. Eye tracking analysis confirmed a preferential allocation of controlled attention to women. Homosexual males showed a mixed influence of male and adult stimulus characteristics on behavioural parameters and no significant differences regarding eye tracking data. The inconsistent findings in this group were confirmed by the absence of significant differences in a stimulus rating and suggest a lower degree of category specificity.
Keywords: attention; cognitive load; forensic psychiatry; pedophilia; attentional bias; mental rotation; eye tracking
Deutsch
Die Erfassung devianten sexuellen Interesses ist von herausragender Bedeutung für die Beurteilung des Rückfallrisikos bei Sexualstraftätern im Maßregelvollzug. Die meistverbreitete Methode, die Penisplethysmografie, ist einerseits aufgrund ihrer Invasivität, ihrer geringen Validität und der mangelhaften Standardisierung kritisiert worden. Zum anderen ist diese Methode sehr kosten- und zeitaufwändig und ebenso wie Fragebogenverfahren täuschungsanfällig. Diese Missstände vermeiden neuere Verfahren, die aus der Messung von Aufmerksamkeitsbias auf sexuell relevante Stimuli auf das zugrundeliegende sexuelle Interesse zurückschließen. Wir entwickelten einen multimodalen Ansatz zur Erfassung automatischer und kontrollierter Aufmerksamkeitsprozesse, der sowohl auf der Erhebung von Verhaltens- als auch Blickbewegungsdaten beruht. Gesunde, homo- (n = 16) und heterosexuelle (n = 34) männliche Probanden lösten Aufgaben zur mentalen Rotation, während ihnen parallel Distraktorabbildungen aus unterschiedlichen sexuellen Kategorien (unbekleidete Frauen, Männer, präpubertäre Mädchen oder Jungen) gezeigt wurden. Wir nahmen an, dass Leistung in der kognitiven Aufgabe, erfasst über Reaktionszeiten und Fehlerquoten, dann am meisten beeinträchtigt würde, wenn der Inhalt des Distraktors der sexuellen Orientierung des Probanden entspräche. Die nichtinvasive Messung von Blickbewegungen sollte die präferenzielle Wahrnehmung von sexuell relevanten Inhalten bestätigen. Unsere Ergebnisse zeigten, dass heterosexuelle Probanden schlechtere Rotationsergebnisse in solchen Aufgaben erzielten, in denen erwachsene Distraktoren gezeigt wurden. Diesen Befund interpretierten wir als konfundierendes Aufmerksamkeitsbias auf die evolutionär ebenfalls relevante Kategorie potenzieller männlicher Rivalen. Die Blickbewegungsanalyse bestätigte eine bevorzugte Zuweisung kontrollierter Aufmerksamkeit auf Abbildungen von Frauen. Die homosexuellen Probanden zeigten hinsichtlich beider Verhaltensparameter eine unterschiedliche Beeinträchtigung durch männliche und erwachsene Stimuli. Die Analyse der Blickbewegungen ergab keine signifikante Bevorzugung einer Stimuluskategorie. Diese widersprüchlichen Befunde in dieser Gruppe wurden ergänzt durch das Ausbleiben signifikanter Unterschiede in einem nach den Experimenten durchgeführten Rating der Stimuli und legen einen geringeren Grad an Kategoriespezifität nahe.
Schlagwörter: Aufmerksamkeit; kognitive Belastung; forensische Psychiatrie; Pädophilie; Aufmerksamkeitsbias; mentale Rotation; Blickbewegungen