Der Umgang mit individuellen Befunden bei der Biobank-Forschung
- eine ethische Analyse
How to handle individual pathologic findings in biobank-research
- an ethical analysis
by Ina Anne Schellenberger née Wehkamp
Date of Examination:2016-11-09
Date of issue:2016-11-09
Advisor:Dr. Katharina Beier
Referee:Prof. Dr. Claudia Wiesemann
Referee:Prof. Dr. Jens Wiltfand
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Name:SUB_Der Umgang mit individuellen Befunden be...pdf
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Format:PDF
Abstract
English
During the last decades biomedical science has developed more rapidly than ever. Especially biogenetical and information technologies have contributed to new dimensions in research that were inconceivable in the past. Data about individual genetical patterns, clinical results, individual lifestyle and life circumstances have become the basic raw materials for a new concept of individualized medicine including disease prevention and health promotion. So-called „biobanks“ have been established to foster this new kind of research by collecting bio-materials for genetical investigations and data processing. Due to the core methodology, which is dedicated to finding correlations between the different data (and types of data), huge numbers of clients are needed. And due to the conceptional paradigm, (supposed) healthy people are more interesting than sick patients. So it becomes clear that this new type of research and research organisation is not identical to traditional clinical medical research. The question arises, whether traditional legal and ethical regulations and guidelines are still adequate to deal with new ethical challenges. The key question in this dissertation is whether there is a moral obligation on biobanks and their research personnel to inform clients in the case of life-relevant individual findings (or ‚incidental findings’). Is there an obligation to give feedback to the person? If yes, who has to give it? What qualifications are needed and which criteria for the quality of these findings have to be applied? A second group of questions aims to determine whether existing ethical and legal regulations in selected European countries already give sufficient answers to these challenges. Results: Based on studies of the literature and some expert interviews in different countries, it has become evident that the term „biobank“ stands for a broad range of different phenomena. To avoid misunderstanding the terms „biobanking“ or „biobank-research“ should be preferred to be in the center of bioethical discussion. Instead of „incidental findings“ it would be more precise to talk about „results of individual relevance“. Regarding the WMA Declaration of Helsinki there is a recognised need to find specific solutions for the biobank-experience. Within Europe there is no common understanding of what „biobank“ means nor how to deal with results of individual relevance. Furthermore the discourse inside the bioethics-community about „biobanks“ seems to neglect the economic context. A significant proportion of this kind of research is very closely linked to commercialism and the health industry. More attention should be brought to the fact that the biotech-industry in particular is an important promoter of biobanking. Results of medical examinations should be communicated with the client if they are valid and relevant to his or her health. This is the duty of any physician. „Biobanks“ should be bound to informed-consent principles even if there are no physicians involved. A client’s right of non-information should be respected if explicitly requested.
Keywords: biobank; individual results; incidential findings; feedback; ethics
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Die medizinischen Wissenschaften haben sich in den letzten Jahren in riesigen Schritten entwickelt. Wichtige Meilensteine waren dabei sicherlich die Entwicklung von DNA-Sequenziermaschinen und die Entschlüsselung des menschlichen Genoms 2003.
Durch die Nutzung moderner Großrechner und des Internets ist es zudem möglich geworden immer größere Datenmassen immer größerer Probandenzahlen miteinander zu verknüpfen. Die Daten können z.B. beinhalten Informationen über die DNA, Untersuchungsergebnisse oder Lebensstildaten. Gespeichert werden diese Daten sowie Gewebe vielfältiger Art in den sogenannten Biobanken. Die Forschung die sich ihrer bedient nennt man Biobank-Forschung oder Biobanking. Ziel des Biobanking ist es Korrelationen zu ermitteln, die wiederum Hinweise auf Krankheitsentstehung geben sollen. In einem weiteren Schritt erhofft man sich Möglichkeiten der Prävention, Gesundheitsförderung, Früherkennung und Therapie zu erarbeiten.
Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen des Tiss.EU-Projektes entstanden, welches sich zum Ziel gesetzt hatte unter anderem die innerhalb der EU und der Schweiz bestehenden ethischen und juristischen Regularien zur Biobanken zu sammeln, zu vergleichen und zu diskutieren, um schließlich, im Sinne der zunehmenden Globalisierung von Forschung, eine Empfehlung für einen gemeinsamen Umgang mit diesen Fragestellungen zu abzugeben.
Speziell beschäftigt sich die vorliegende Arbeit damit, ob eine moralische Verpflichtung der das Biobanking nutzenden Forschenden besteht, wenn im Rahmen ihrer Forschung für den Probanden (lebens-)relevante Befunde anfallen. Ist der Forschende verpflichtet diese Information an den Gewebespender zurückzumelden? Geprüft werden sollte, ob die bestehenden ethischen und juristischen Regularien diese Fragestellung bereits ausreichend beantworten und ob man sich zum Umgang mit dieser Fragestellung innerhalb der am Tiss.EU-Projekt beteiligten Länder einig ist.
Ergebnisse:
Bzgl. der Begrifflichkeiten komme ich zu dem Schluss, dass vielmehr der neue Typus von Forschung, das Biobanking oder die Biobank-Forschung, im Fokus bioethischer Diskussionen stehen sollte, als die Institution Biobank, die man überraschenderweise in verschiedenen Ländern anders definiert.
Zudem fällt auf, dass in der Literatur häufig der Begriff Zufallsbefund für individuell bedeutsame Befunde verwendet wird. Dieser Begriff trifft den Charakter der Befunde in den meisten Fällen nicht. Entsprechend empfiehlt es sich von individuell bedeutsamen oder relevanten Befunden zu sprechen.
Bzgl. der ethischen und juristischen Regularien komme ich zu dem Schluss, dass sich die Biobankforschung von der durch die Deklaration von Helsinki ethisch kodifizierte Forschung wesentlich unterscheidet, so dass tatsächlich eine ethisch und juristisch nicht ausreichend bearbeitete Problemlage besteht.
Innerhalb der EU und der Schweiz ist man sich weder bei der Vorstellung was eine Biobank ausmacht, noch beim Umgang mit individuellen Befunden einig. Von gefestigten Regularien kann also nicht ausgegangen werden.
Weiterhin fällt auf, dass der ethische Diskurs den ökonomischen Kontext der Biobanken zu wenig - und damit unzureichend - berücksichtigt.
Bzgl. der Wiedergabe individueller Befunde komme ich zu folgendem Ergebnis:
- wenn für die Biobankforschung medizinische Untersuchungen erfolgen und hierbei pathologische Befunde anfallen besteht eine (ärztliche) Mitteilungspflicht.
Auf der Ebene molekulargenetischer Forschung müssen medizinisch relevante Befunde, sofern sie valide sind, ebenfalls zurück gemeldet werden.
Werden die Untersuchungen von nicht-Medizinern durchgeführt, sollte man sich bei medizinischen Untersuchungen trotzdem an den Regeln der medizinischen Ethik orientieren.
Der Proband muss im Sinne des informed consent aufgeklärt werden, welche Art individuell relevanter Befunde anfallen können und seine Einstellung zu einer mölichen Rückmeldung von Befunden muss ermittelt und dokumentiert werden. Er kann von seinem Recht auf Nichtwissen Gebrauch machen.
Schlagwörter: Biobank; Biobanking; individuell bedeutsame Befunde; Zufallsbefund; Feedback; Rückmeldung von Befunden; Ethik